Flurfunk (German Edition)
deutlich »Justus« unter dem Gedicht.
Sofort rannte ich in Lenas Zimmer, die noch in einem Buch blätterte und mich erstaunt ansah.
»Er hat mir ’ne sms geschickt!«, kreischte ich.
Lena riss überrascht die Augen auf und war ebenfalls sofort aus dem Häuschen.
»Das gibt’s doch nicht! Was hat er denn geschrieben?«
Ich las Lena das Gedicht vor.
»Wow, das ist gut!«, rief Lena.
»Das ist nicht nur gut, das kenne ich sogar! Das ist der Anfang von einem Gedicht von Paul Verlaine, Hesse hat es übersetzt. Es heißt Mon rêve familier !« Meine Stimme überschlug sich vor Aufregung.
»Stimmt, hätte ich mir ja denken können, dass du als romantischer Gedichtejunkie es kennst.«
»Lena, ich fass es nicht! Er hat geschrieben! Wo hat er denn jetzt meine Nummer her? Oh Mann! Was antworte ich bloß? Oder soll ich lieber warten? Sag, was meinst du?«
Lena schüttelte lachend den Kopf.
»Jetzt komm erst mal runter, du bist total überdreht!«
Mir war klar, dass ich wie eine Rumpelstilzchen-Version auf Speed vor Lena herumzappelte, aber wer konnte mir das bitte verdenken, wenn gerade der aufregendste Mann des Planeten mir eine romantische SMS geschickt hatte. Sie war doch hoffentlich auch von ihm! Was, wenn sich jemand nur einen Scherz erlaubt hatte?
Meine Euphorie schlug sofort in Panik um.
»Lena, was, wenn die Nachricht gar nicht von ihm ist? Ich kenne seine Nummer ja nicht. Wie finde ich das denn raus?«
Sie versuchte, mich zu beruhigen. »Lotte! Es wissen nur Mimi und Tim Bescheid, und die würden dich nie dermaßen reinlegen! Natürlich ist die sms von Justus Staufen.«
Sie hatte sicher Recht, doch wenn der Zweifel erst mal gesät ist … Was, wenn doch jemand etwas mitbekommen hatte, Felix zum Beispiel oder Justus’ dämliche Managerin!
»Lena, ich muss einfach wissen, ob die Nachricht von ihm ist.«
Lena seufzte.
»Dann ruf die Nummer eben an.«
Entgeistert rief ich: »Bist du wahnsinnig! Was ist, wenn es seine Nummer ist und er rangeht! Dann ist das total uncool. Willst du gelten, mach dich selten.«
»Alte Plattitüdendrescherin! Dann ruf eben Mimi und Tim an und frage, ob sie etwas damit zu tun haben.«
Es war halb zwei, aber schließlich handelte es sich um einen Notfall!
Mimi hatte ihr Handy ausgeschaltet. Ich hinterließ ihr eine kurze Nachricht und wählte Tims Nummer. Es klingelte. Hoffentlich war er noch wach.
Mit der Bemerkung »Lotte, wie schön, von dir mitten in der Nacht zu hören!« hob er ab. Klang aber noch sehr munter.
»Ja. Entschuldige! Ich weiß, es ist super spät, aber Tim, du wirst nicht glauben, was passiert ist. Justus hat mir gerade eine SMS geschickt. Also zumindest hoffe ich, dass sie von ihm ist. Ich kenne die Nummer nicht und wollte sichergehen, dass du sie nicht von einem anderen Handy geschickt hast, um mir ’nen Streich zu spielen.«
Tim war ob meiner Paranoia überhaupt nicht überrascht.
»Sag Lena, sie soll dir eins überziehen, du bist ja so aufgedreht, nicht zu ertragen. Da ist sogar diese hyperaktive Trutsche aus der koffeinfreien Kaffeewerbung ein Barbiturat gegen dich. Also meine Liebe, ich kann dich beruhigen. Die Nachricht ist von Justus. Das weiß ich sicher, denn ich habe ihm deine Nummer gegeben.«
Ich versuchte, nicht noch hektischer zu werden, sprach betont langsam und achtete darauf, Atempausen zu machen. »Wann – Wo? – Erzähl!«
»Stopp!«, rief Lena. »Ich will mithören, stell laut.«
Ich schaltete laut, und Tim fuhr fort.
»Ich war heute Abend auf einem Benefiz-Fußballspiel. Da spielen verschiedene Teams aus Film und Fernsehen mit. TV -plus hatte auch eins, und ich habe mich angeboten, für sie zu kicken.«
»Für sie zu kicken? Hast du einen Sprachkehler?« Lena konnte sich den ältesten Witz aller Witze nicht verkneifen. Strafend sah ich sie an.
Tim fuhr fort. »Ich spiel sogar ziemlich gut. Einer meiner besten Freunde wäre fast Profi geworden, und den habe ich auch zur Unterstützung mitgenommen.«
Lena rief: »Wusste gar nicht, dass du und deine Freunde auf Fußball stehen!«
»Meinst du, als Schwuler kann man höchstens die Farbzusammenstellung des Trikots festlegen, oder wie? Ich kicke für mein Leben gern, und eben erwähnter Freund ist hetero – ja, das soll’s auch geben.«
Hallo? Ich stand kurz davor zu hyperventilieren, und die beiden ergossen sich in Nichtigkeiten.
»Erzähl endlich von Justus!«, gellte ich in einer Lautstärke ins Telefon, die mich selbst zusammenschrecken ließ.
»Justus hat für
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