Flurfunk (German Edition)
bist bezaubernd, und zwar immer, selbst wenn du wie jetzt nervös und völlig übermüdet deine Falte ziehst. Du hast diese Ausstrahlung, für die andere Frauen töten würden.«
Gab es eine bessere Freundin? Selbst wenn es erstunken und erlogen war, half mir Lenas Zuspruch.
Die frische Luft und Lenas Anwesenheit wirkten beruhigend auf mich. Irgendwann übermannte mich die Erschöpfung, und ich schlief ein.
sieben »Lotte, wach auf, du musst langsam los.« Lena stand vor
mir mit einer Tasse Yogi-Tee. Ich verzog das Gesicht.
»Ich weiß, dass du nichts davon hältst, aber nach so einer Nacht ist das wie Medizin. Es hilft dir, die Balance wiederzufinden.«
Da ich Lena die halbe Nacht auf Trab gehalten hatte, tat ich ihr den Gefallen und trank tapfer das Gebräu aus.
»Magst du noch was essen, Lotte?«
Angewidert schüttelte ich den Kopf.
»Nee, ich bin viel zu aufgeregt, ich krieg nichts runter.«
Geduscht und einigermaßen restauriert, eilte ich aus der Wohnung. Fast wäre ich über den Stein vor der Tür gestolpert.
Super! Lena war sicher wieder in irgendeinem Steinbruch unterwegs gewesen und hatte Versteinerungen oder »Brachiopoden«, wie sie mich immer verbesserte, gesammelt und vor dem Haus abgeladen.
Da fiel mir der Zettel auf, der unter dem Stein klemmte.
Es war ein abgerissenes Flugblatt.
»Charlotte, ich muss dich heute Abend sehen. Bin ab 20 Uhr im Puck und warte auf dich. Justus«
»Lena!«, schrie ich hysterisch.
Panisch kam sie, nur in ein Badehandtuch gewickelt, herbeigerannt. Klar, dass sich Ich-bin-unverklemmt-und-habe-ein-super-Körpergefühl-Lena nicht darum scherte, was die Nachbarn von ihrem freizügigen Auftritt hielten.
Keuchend hielt ich ihr Justus’ Nachricht hin.
»Lotte! Wenn das die nächste Zeit so weitergeht, sag Bescheid, dann ziehe ich aus. So habe ich dich ja noch nie erlebt. Färben die nervösen Fernsehfuzzis doch auf dich ab?« Lena hatte wirklich einen Schreck bekommen.
Nun mussten wir beide grinsen.
»Nicht böse sein, Lenchen! Ich weiß auch nicht, was mit mir ist, aber Justus fördert Seiten an mir zu Tage …! Ich hab mich überhaupt nicht mehr unter Kontrolle.«
»Was gut ist, wenn man daran denkt, was du sonst für ein Kontrollfreak bist und mich an Weihnachten nicht mal Plätzchen ausstechen lässt, weil du Angst hast, den Zimtsternen könnte ein Zacken fehlen. Aber zwischen Kontrolle und Hysterie gibt es einen feinen Unterschied. So verliebt, wie du bist, hast du im Moment Narrenfreiheit, und ich würde wahrscheinlich auch ausrasten, wenn mich ein Kaliber wie Justus umgarnen würde. Das ist echt romantisch, und du weißt, ich scheue Romantik wie du Schuhe von Deichmann .«
Im Nachbarhaus wurde mit lautem Knall ein Fenster zugeschlagen, und ein empört dreinblickender Herr Weiß schüttelte deutlich missbilligend den Kopf. Herrn Weiß, seines Zeichens cdu-Stadtrat, und Lena verband, seit wir hergezogen waren, eine ausgeprägte Hassliebe.
»Na, wollen wir die Gesichtsfarbe von Herrn Weiß mal seinem Namen anpassen?« Lena kicherte, ließ ihr Handtuch fallen und winkte Herrn Weiß, der jetzt kreidebleich seinem Namen alle Ehre machte, freundlich zu.
Na also. Da hätten wir doch mal wieder für die nächsten Wochen das Gesprächsthema gesichert.
Immer noch etwas durcheinander, machte ich ein paar Schritte Richtung Auto. »Lena, ich brauch was Neues zum Anziehen.
Hast du nachher Zeit? Ich versuch heute ’ne Stunde eher wegzukommen.«
Lena blickte mich so an wie ich sie, wenn sie mich auf einen Vortrag über Insekten mitschleppen wollte.
Seufzend sagte sie zu.
Zum Glück promovierte sie und konnte sich ihre Zeit einteilen, wie sie wollte.
acht »Lotte, was war das denn für eine seltsame Nachricht, die du mir heute Nacht auf die Mailbox gesprochen hast? Ich hab null verstanden.«
Mimi stand vor mir und sah mich verwundert an. Wer konnte es ihr auch verdenken!
»Lass uns Chai Tea Latte holen gehen.« Das war inzwischen der Code für: Jetzt wird’s spannend, und der Flurfunk darf nichts mitbekommen.
Wenn Lena wüsste, wie oft ich inzwischen zu Starbucks ging! Als Globalisierungsgegner trank sie lieber die Plörre im heruntergekommenen Assocaffé an der Ecke, bevor sie einen Fuß ins Starbucks setzen würde. Und irgendwo hatte sie ja Recht, ich hatte auch immer ein schlechtes Gewissen, vor allem nachdem sie mich gezwungen hatte, No Logo zu lesen, aber leider war ich zu schwach und faul, um mir ein anderes Café zu suchen. Außerdem bekam man Chai Tea
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