Flurfunk (German Edition)
Latte sonst nirgendwo, und ich war inzwischen abhängig von dem Zeug.
»Möchte nicht wissen, welche Geschmacksstoffe die da reinschütten«, hatte Lena gemurrt, als ich von meinem Lieblingsgetränk geschwärmt hatte. Wahrscheinlich plante sie, in Anlehnung an Günter Wallraff dort inkognito zu arbeiten, um dann irgendwelche Machenschaften aufzudecken. Bei dem Gedanken, wie Lena mit blonder Perücke und Schürze, Kaugummi kauend und mit strahlendstem Lächeln Kaffee verkaufte und nebenher in ihr Diktiergerät sprach, musste ich lachen.
Ich bestellte zwei Chai Tea Latte zum Mitnehmen.
»Mach’s nicht so spannend. Was war denn nun mit Justus?«, fragte Mimi ungeduldig, und so erzählte ich ihr von meiner schizoiden Nacht samt Happy End.
»Du hast vielleicht ein Glück, Lotte! Genieß es so lange wie möglich. Oh Mann, ich wäre auch gern wieder so frisch verliebt!«
Das musste ausgerechnet Mimi sagen, bei der die Verehrer sich um die Platzkarten schlugen.
»Sag, Mimi, so umschwärmt, wie du bist, kann es doch nicht schwer sein, sich zu verlieben.«
Sie lächelte wissend. »Wer sagt denn, dass ich nicht verliebt bin?«
»Stimmt, ich vergaß, bei dir ist das ja diese geheimnisvolle Geschichte, von der niemand wissen darf. Du bist also zwar verliebt, aber nicht glücklich, oder wie darf ich das verstehen?«
Mimi war das Thema sichtlich unangenehm.
»Ach Lotte, sprechen wir lieber von deinem neuen Glück! Das ist viel aufregender.«
Da musste sie mich nicht zweimal bitten.
Fröhlich plappernd, machten wir uns schließlich mit unseren Teebechern auf den Rückweg und stießen im Sender gleich mit Babette, Imkas Vertretung, zusammen.
Wer hätte gedacht, dass ich mich je nach Imka und meinen Kuriergängen zurücksehnen würde. Babette, der Name war Programm, tat alles, damit wir sie ja nicht mochten. Zwar kokste sie nicht, sondern berauschte sich an sich selbst, aber das war in ihrem Falle noch unerträglicher.
Vom Typ Papis Prinzessin wusste sie genau, wie man andere für sich arbeiten ließ. Babette war naturstoned und bei jedem Blick in den Spiegel wurde sie high, nach jedem ihrer sinnentleerten Kommentare, die sie auf affektierteste Weise betonte, machte sie eine bedeutungsschwangere Pause, was sich dann etwa so anhörte: »Lotte« – Pause – »kannst du« – Pause – »mir mal« – Pause – »die Wasserflasche« – Pause – »geben?« Augenklimpern! Vielleicht hatte aber auch nur das viele Telepromterlesen bleibende Schäden bei ihr hinterlassen.
Selbst Felix, der nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen war, schließlich arbeitete er sonst auch nicht mit den pflegeleichtesten Charakteren, nannte Babette nur noch »Babuschka« und hatte mit rotem Edding für alle sichtbar im Kalender »Imka endlich wieder da« eingetragen.
Während Babette ihren Busen herausstreckte, fuhr sie sich mit ihren manikürten Nägeln, Frenchstyle natürlich, aufreizend durch die Haare. Mimi und ich schauten uns erstaunt an, bis wir uns umdrehten und Ralph vorbeilaufen sahen.
Ah ja, alles klar! Eine Showeinlage für den Programmchef. Wir nickten uns zu.
»Charlotteeeeee!« Babette zog meinen Namen gern in die Länge und betonte dabei das E am Ende.
Konnte denn kein Mensch meinen Namen normal aussprechen? Außerdem klang es bei Babette immer so, als ob sie nach ihrer Zofe rief.
»Was denn, Babetteeeeee?« Ha, ich konnte ihren blöden Möchtegern-Dynastienamen auch in die Länge ziehen, was ihr aber nicht auffiel – natürlich nicht, schließlich kam es nicht aus ihrem eigenen Mund.
»Du, ich habe gerade gesehen, dass ihr mich für den Dreh am Wochenende in so ein komisches Hotel eingebucht habt.«
Das komische Hotel war ein Viersternehotel und vollkommen in Ordnung.
»Ja, mehr war leider nicht drin im Budget«, erklärte ich.
Babette wurde nicht wütend – denn das sähe ja nicht gut aus. Babette fing an, verkrampft zu lächeln und zuckersüß zu sprechen – was aber eher nach Zischen klang.
»Wie soll ich denn in diesem Hotel vernünftig arbeiten? Ich muss doch da sein, wo alle Künstler wohnen, allein schon zur Kontaktaufnahme und wegen der Zeitersparnis.«
Aha, daher wehte der Wind!
Ich verwies sie mit Freuden an Felix, der nur noch darauf wartete, Extrawürste für Babuschka zu braten.
Während ich alles für den Dreh am Wochenende vorbereitete, EB -Team und Flüge buchte, Zeit und Interview vereinbarte und Felix sich mit Babettes Hotelreservierung herumschlug, merkte ich kaum, wie schnell die Zeit
Weitere Kostenlose Bücher