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Flurfunk (German Edition)

Flurfunk (German Edition)

Titel: Flurfunk (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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Wie können sich Menschen den ganzen Tag – oder noch schlimmer, ihr ganzes Leben lang – mit solchen Nichtigkeiten und aufgeblasenen Storys beschäftigen? Darüber hatten wir nicht nur einmal diskutiert.
    »Findest du, dass du dein Leben sinnvoll verbringst? Meinst du nicht, du solltest mit deiner Begabung und deinem Talent etwas Bedeutungsvolleres anfangen?«
    Bedeutungsvoller hieß, die Menschheit oder Erde zu retten. Lena konnte beim besten Willen nicht nachvollziehen, dass man gern über den neuen Song oder die neue Frisur von xyz berichtete.
    Vergeblich hatte ich versucht ihr zu erklären, dass der Mensch nicht nur vom Brot allein lebte, sondern zwischendurch auch mal etwas zur Zerstreuung und zum Lachen brauchte, wenn er eine Pause vom Weltverbessern machte! Mein Dienst an der Menschheit war eben der, sie elementare, sorgenvolle Dinge vergessen lassen zu können. Mein Talent hieß unterhalten. Ich tat nur, was ich am besten konnte.
    »Lotte, wo warst du denn? Ich such dich schon.«
    Auweia – Felix! Da verließ man seinen Platz mal länger als fünfzehn Minuten, und schon hatte man ein schlechtes Gewissen. Wenn man vor 20 Uhr ging, bekam man immer ein »Na, hast wohl ’nen Halbtagsjob!« hinterhergeschleudert.
    Eilig verabschiedete ich mich, um Felix nicht zu reizen.
    »Lotte, wir haben eine Interviewanfrage bekommen. Ich möchte gerne, dass du das übernimmst. Imka ist ja noch weg, und Babette muss an diesem Tag noch für ihre eigene Sendung drehen. Wir machen das Interview einfach ohne Moderator im Bild und benutzen es als Einspieler. Kannst du das mal anrecherchieren?« Sagte es und drückte mir ein Fax in die Hand.
    Ich sah darauf und glaubte meinen Augen nicht: Das Interview war mit, welch Zufall, ausgerechnet Annabelle Leiniger!
    »Is was? Das bekommst du doch hin?« Felix musterte mich nervös.
    »Klar. Ist ja erst in drei Wochen. Ist ja noch massig Zeit, da kann ich mich gut vorbereiten.«
    Annabelle Leiniger, in der Suchmaschine eingegeben, erzielte höre und staune 312 Treffer! Sie musste eine treue Fanbase haben oder eben pubertierende Jungs, die genug Zeit hatten, am Computer Seiten für sie zu basteln, und sicher glaubten, Annabelle sei auch erst siebzehn.
    Ihre offizielle Seite wurde von einem Schwarz-Weiß-Porträt, Marke Uups, ich bin so unschuldig, wie kommt mein Foto nur ins Internet ? geziert. Die Biografie, die für meinen Geschmack viel zu blumig geschrieben war und eher nach Poesiealbum klang, gab nicht viel her. Ihr Geburtsdatum war nicht zu finden. Gar nicht so doof. Früh übt sich, wer später mal sein wahres Alter verschweigen will. Annabelle stammte aus einer berühmten Familie. Ihr Vater war erfolgreicher Maler und ihre Mutter ebenfalls eine bekannte Schauspielerin. Angeblich hatte Annabelle ihre Karriere ohne deren Hilfe und mit anderem Namen begonnen, da sie es »ganz alleine« schaffen wollte. Apropos Namen, ihren hatte sie keineswegs den Zeilen des Reinhard-Mey-Hits »Annabelle, ach Annabelle, du bist so herrlich intellektuell« zu verdanken, wie sie gleich in ihrem Vorwort richtig stellte, sondern allein der Tatsache, dass ihre Mutter Französin war. Tja, die einen hatten eine Französin zur Mutter, andere eine, die sich wegen angeblicher früherer Leben für eine hielt.
    Nicht auszudenken, wenn Annabelle je auf meine Mutter mit ihrem Französisch-Tick traf. Maman würde Annabelle sofort adoptieren wollen, denn sie sprach Französisch als Muttersprache und war auf eine französische Schule gegangen.
    Was ihre schauspielerischen Errungenschaften anging, konnte sie einige Serienauftritte und kleinere Rollen in Low-Budget-Produktionen verzeichnen. Laut Biografie war sie Einzelkind – und das gern. Neben der Fotogalerie, die den meisten Platz einnahm und Annabelle in allen bereits da gewesenen und nicht gerade unkonventionellen Posen zeigte, fand man auch einen Link zu Erspare dir die Liebe , ihrem momentanen Filmprojekt, das sie laut Eigenaussage »mit dem talentierten und wunderbaren Justus Staufen« drehte.
    Nachdem ich mich genug über ihre kitschige Homepage aufgeregt hatte, suchte ich Interviews und wurde in einer Frauenzeitschrift fündig.
    Na, dann wollten wir doch mal sehen, was Annabelle darin Glorreiches zu sagen hatte.
    Ich war nicht einmal bis zur Hälfte des Interviews gelangt, da stand für mich eines fest: Ungeschickter und abschreckender konnte man sich selbst gar nicht verkaufen. Wer um Himmels willen war für Annabelles PR zuständig?
    Auf die Frage, wie

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