Flurfunk (German Edition)
verging.
Der Empfang rief an und ließ mich wissen, dass eine Lena auf mich warte.
»Sie soll hochkommen, ich bin gleich fertig«, gab ich zurück.
Doch so weit ging die Liebe dann doch nicht. Für Lenas Verhältnisse war es schon sehr tolerant, sich überhaupt freiwillig in die Nähe der Volksverdummung zu begeben.
»Da bist du ja endlich!« Sie sah mich vorwurfsvoll an.
Bevor sie noch saurer wurde und eventuell ihre Meinung änderte, beförderte ich sie ins Auto und fuhr in meine Lieblingseinkaufsstraße.
Muss man sich Gedanken machen, wenn die Verkäuferin bei Prada einen duzt und fragt, ob das lästige Kopfweh von vergangener Woche wieder weg ist und bereits einige Klamotten für einen beiseite gelegt hat, weil sie meint, das sei ganz mein Stil? Lenas Blick nach zu urteilen: Ja! Wenn sie wüsste, wie oft ich Tüten vor ihr versteckte, um nicht wieder eine Diskussion über mein Konsumverhalten auszutragen!
Kurz schilderte ich mein Problem, nämlich ein Kleidungsstück zu finden, in dem ich ohne großen Aufwand umwerfend aussah.
»Wo geht’s denn hin, Sssarlotte ?« Evelin, die Storemanagerin, lispelte leicht, was niedlich klang, nur war sie wieder jemand, der meinen Namen nicht richtig aussprach!
»Ins Puck !« Das Puck war ein Künstlercafé. Relaxte, unaufgetakelte Atmosphäre; brotlose und erfolgreiche Künstler mischten sich mit der in die Jahre gekommenen intellektuellen Linken, hier und da ein paar Szeneheinis, die den Geheimtipp irgendwo aufgeschnappt hatten, das Puck aber immer schnell wieder verließen, weil sie zu wenig Beachtung fanden. Das Lokal war witzigerweise auch der kleinste gemeinsame Nenner, auf den Lena und ich uns einigen konnten, wenn wir weggingen.
»Ich glaube, da habe ich was für dich.« Evelin zeigte uns ein Sommerkleid, das schlicht, aber gleichzeitig sexy und raffiniert aussah.
Zum Glück war ich gebräunt genug, mit weißen Beinen sehen solche Kleider nämlich immer bescheuert aus.
Als ich aus der Umkleidekabine kam, begutachteten Lena und Evelin mich fachmännisch.
»Das ist es! So kannst du dich sehen lassen. Wenn er da nicht tot umfällt, weiß ich auch nicht.«
Das Kleid war ein Traum! Der Preis leider auch, aber hey, man musste ja auch mal in seine Zukunft investieren. War sicher in Mutters Sinne.
Leider war der Style noch nicht perfekt, es fehlte noch etwas Entscheidendes. Evelin begleitete meine Kaufsucht schon lange genug, um meinen Blick richtig zu deuten.
»Schuhe! Du brauchst die passenden Schuhe!«
Dankbar lächelte ich sie an, während sie schon mit einer Auswahl herbeigeeilt kam.
Lena zog mich beiseite.
»Lotte, ich weiß, deine Eltern finanzieren fast alles, aber hast du mal geschaut, was das kostet? Ich weiß, dein Ziel ist, dass die hier irgendwann, wenn du reinkommst, den Laden nur für dich schließen, und ich sage dir, diese Evelin hast du bald so weit, aber ist es das wert? Das Kleid ist echt der Hammer, doch du hast genug neue Sachen, in denen du genauso umwerfend aussiehst.«
Verunsichert sah ich an mir hinunter. Dieses Kleid gab mir alles, was ich heute Abend brauchte, nämlich Selbstbewusstsein!
»Lena, ich verspreche, diesen Aufstand mache ich nur für das erste Date, okay? Und jetzt gib mir deine Absolution, sonst komme ich mir wie ein oberflächlicher Kleiderständer vor.«
Sie drückte mich.
»Ach Lotte, du und oberflächlich! Spleenig vielleicht, aber oberflächlich doch nicht! Ist sicher auch im Sinne deiner Mutter!«
Das hatte ich ja auch schon gedacht.
Evelin brachte mir eine veredelte Flip-Flop-Version, ein Paar Riemchensandalen, die man bis zu den Knöcheln binden konnte, und Highheelpantoletten. Wir entschieden uns eindeutig für die Sandalen, Flip Flops waren so etwas von out, und mit den Pantoletten war ich eher overdressed !
Evelin wünschte mir viel Glück und zwinkerte mir beim Hinausgehen zu wie der Dealer seinem Lieblingsjunkie.
»Wir bekommen Freitag neue Ware.«
Bevor ich darauf eingehen konnte, hatte Lena mich schon auf die Straße gezogen.
Wieder beim Sender angekommen, ließ sich Lena überreden, doch mal mit hineinzukommen, allerdings nur, um Tim und Mimi zu Katharinas dämlichem Pärchenabend einzuladen.
Die beiden freuten sich sichtlich, Lena zu sehen, und begrüßten sie herzlich.
Zu meinem Erstaunen versprachen sie zu kommen.
Lena ließ sich zu einem kleinen Rundgang durch die Redaktion bewegen und zeigte sogar ein bisschen Interesse, auch wenn ich deutlich sehen konnte, was sie eigentlich dachte.
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