Flurfunk (German Edition)
mich war.
»Das ist nicht dein Kaliber, Lotte«, sagte ich zu mir selbst, bevor ich die Tür zum Puck aufstieß.
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und trat beherzt ein.
Hey, was konnte mir schon passieren? Mich zwang niemand zu irgendetwas! Ich konnte jederzeit wieder gehen!
Und überhaupt, so toll war Justus Staufen auch wieder nicht. Bestimmt war ich wirklich nur dem Hype um ihn erlegen. Männer wie ihn traf man jederzeit wieder, falls ich mich bis auf die Knochen blamieren würde.
Betont locker schaute ich mich um. Von Justus keine Spur. Nur nicht durchdrehen! Vielleicht hatte er ja das Separee reservieren lassen.
Mit eingeredetem Selbstbewusstsein oder zumindest mit dem, was noch übrig war, ging ich zum Separee hinüber, das mit barocken roten Vorhängen und zwei vergoldeten Chaiselonguen den Charme eines Wiener Freudenhauses ausstrahlte, nur um Zeuge einer Knutsch- und Fummelattacke eines frisch verliebten Pärchens zu werden, die meine, wie ich fand, witzig dahingeworfene Bemerkung – »Wollte nur mal fragen, ob ich mitmachen soll« – leider nicht richtig deuteten und mir synchron ’nen Vogel zeigten.
Okay. Auch ich merke, wenn ich störe!
Nach diesem fulminanten Auftritt beschloss ich, an die Bar zu gehen und die letzten Minuten mit einem Mojito runterzuspülen. Während ich mich setzte und bestellte, überlegte ich kurz, ob ich den Barkeeper fragen sollte, ob Justus schon da war, ließ es aber lieber bleiben, um nicht noch in den Verdacht zu geraten, ein irrer Fan zu sein. Ein Fettnapf pro Abend genügte!
Wo um alles in der Welt blieb Justus? Meine Nerven machten das Warten nicht mehr lange mit! Ich kannte mich gut genug, um zu wissen, dass die nervöse Phase bald in eine hysterische umschlagen würde, um dann in eine Depression zu münden, um schließlich mit verwischter Wimperntusche und zerzaustem Haar vom entnervten Barkeeper (»Ich will auch mal nach Hause«) aus dem Lokal geschoben zu werden.
Wie lange sollte ich überhaupt warten? Zwanzig Minuten? Eine halbe Stunde? Sollte ich anrufen? Besser nicht, wer weiß, nachher erlaubte er sich nur einen Scherz und stand schon längere Zeit mit falschem Bart und Ulli Becker an seiner Seite in einer Ecke und amüsierte sich köstlich ob der kleinen Praktikantin, die er so durcheinander gebracht hatte. Bestimmt hatten sie gewettet, wie lange ich warten würde. Wie viel ihnen die Wette wohl wert war?
Unauffällig schielte ich auf die Uhr. Achtunddreißig Minuten gewartet, kein Justus in Sicht. Stattdessen saß ich wie ausgemustertes Freiwild am Tresen und wurde schon vom Rudel nebenan – getarnt als intellektuelle Diskussionsrunde – begutachtet. Natürlich nicht plump! Nein, im Puck punktete man höchstens mit Anmachen wie »Du hast was von Frieda Kahlo«. Mir reichte es! Ich stand auf und ging. Auf dem Weg zum Auto sah ich ein Taxi anhalten, dem, wenn mich nicht alles täuschte – ich war durch meine Kurzsichtigkeit leider auch leicht nachtblind –, Justus entstieg!
Ich pirschte mich näher heran – tatsächlich, es war Justus! Im Halbdunkel sah er genauso umwerfend aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Dieser lässige, unangestrengte Style! In Sekundenschnelle befand ich mich wieder in einem komatösen Zustand und schnappte nach Luft.
Nachdem Justus im Puck verschwunden war, eilte ich ebenfalls hinein, um nicht zu riskieren, dass er wieder ging.
Außer Atem schleuderte ich einem erfreuten Justus entgegen: »Ich weiß, ich bin viel zu spät! Bitte entschuldige! Kam nicht früher aus dem Büro los, und mein Akku war leer, sonst hätte ich dich angerufen! Du wartest ja sicher schon eine Ewigkeit!«
Justus, nein, dieser Gott lächelte sein verwegenes Grübchengrinsen und küsste mich auf die Wange. Er roch nach Hugo , einem meiner Lieblingsdüfte.
»Ehrlich gesagt, bin ich gerade erst angekommen. Hatte schon voll das schlechte Gewissen, dich warten zu lassen, aber der Dreh wurde hundertmal wiederholt! Hat Ulli dich erreicht? Ich hatte sie gebeten, dir Bescheid zu geben. Ach nein, ging ja gar nicht, wenn dein Akku leer war.«
»Genau.« Ich grinste gezwungen und überlegte mir eine besonders perfide Art, um Ulli Becker außer Landes zu treiben, während ich unauffällig mein voll aufgeladenes Handy ausschaltete.
»Ich bestell uns was zu trinken«, nahm Justus das Ruder in die Hand und wandte sich zum Barkeeper, der ihn erkannte und stürmisch begrüßte.
»Ich nehm ein Bier und du, Charlotte?«
Der übereifrige Barkeeper fragte, bevor
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