Flurfunk (German Edition)
stand? Ich frohlockte! Immerhin musste ich Justus so viel bedeuten, dass sich extra jemand um mich kümmerte, solange er verhindert war.
Kai Hubertus bat mich, mein Handy auszuschalten.
»Wir haben hier die Regel, wenn jemand vergisst, sein Handy auszumachen, und es während der Aufnahme klingelt, bezahlt er die Szene. Und das ist richtig teuer, kann ich dir sagen.«
Also wirklich! Als ob ich das nicht wüsste! Jeder, der schon mal ein dvd-Making-of oder ein Hidden Feature gesehen hatte, wusste das. Außerdem war das bei Fernsehproduktionen auch nicht viel anders.
Kai Hubertus führte mich auf dem Arsenal zwischen Kulissen, Gebäuden und Trailern umher.
»Das sind die Wohnwagen des Regisseurs und der Schauspieler.«
Um die Wohnwagen herum saßen einige Schauspieler, die gerade keine Szene hatten. Eine Visagistin zupfte und puderte sie zurecht. Von Justus keine Spur.
Es waren außer mir einige Journalisten am Set, die von der wenig ausgeglichenen Pressereferentin, die mich anfangs in Empfang genommen hatte, in einer Gruppe herumgeführt wurde. Anscheinend genoss ich eine Sonderbehandlung.
»Und was dreht ihr gerade?«, fragte ich Kai neugierig, hätte aber auch eigentlich fragen können: Und wo ist Justus jetzt?
»Justus und Annabelle drehen gleich die Szene, in der sie sich das erste Mal küssen. Ich weiß nicht, ob wir dazukönnen, das muss ich erst checken.«
Und ich wusste nicht, ob ich ausgerechnet diese Szene sehen wollte. Eine Liebesszene! Justus hatte mir von einer ganz anderen Szene erzählt. Warum konnten sich diese flatterhaften, total crazy Filmleute daran bitte nicht halten? Sollte mir keiner mit der »Das-Wetter-hat-sich-plötzlich-geändert«-Ausrede kommen. Wieso drehte Justus überhaupt einen Liebesfilm? Hätte es ein gut gemachtes soziales Drama im Trinkermilieu nicht auch getan oder von mir aus ein Krimi? Und wieso hatte Justus mich nicht gewarnt, dass jetzt ausgerechnet eine Liebesszene anstand? Wollte er mir damit etwas sagen? War er exhibitionistisch veranlagt und fand es toll, wenn ich zusah?
Während Kai die Lage checken ging, verdrückte ich mich auf die Toilette.
Die aufgestellten Toilettencontainer, eine größere Dixiklo-Variante, waren zum Glück sauber. Am Waschbecken traf ich auf eine Journalistin, die ich vorher in der Gruppe gesehen hatte. Sie war nur etwas älter als ich, auf Berlin Mitte gestylt und sah nett aus. Sie kramte in ihrer Handtasche und schien etwas zu suchen.
»’tschuldige, hast du vielleicht einen Tampon dabei?«
Ah, daher wehte der Wind! Unwillkürlich sah ich auf ihren weißen Mini. Sie sah meinen Blick und musste loslachen.
»Nee, zum Glück nichts passiert, aber wäre super, wenn du was dabeihast.«
Das hatte ich, schließlich ist man als Frau von Welt auf solche Malheurs vorbereitet, vor allem, wenn man selbst ein traumatisches Menstruationserlebnis mit einer weißen Leinenhose in der achten Klasse Religionsunterricht im Hinterkopf hatte. So etwas prägte. Diskret legte ich ihr den Tampon hin. Dankbar sah sie mich an.
»So, jetzt kann ich mich auch besser auf mein Interview konzentrieren. Das wäre sonst nicht besonders angenehm geworden und ich panisch. Ich bin übrigens Johanna.«
»Charlotte«, sagte ich lächelnd, »wen interviewst du denn?«
»Annabelle Leiniger. Ich arbeite für Zeitgeschehen ,und wir machen eine ganze Seite über das Making-of von Erspare dir die Liebe . Justus Staufen wäre mir natürlich lieber gewesen«, grinste sie verschwörerisch.
Zeitgeschehen! Sieh an, da hatte Ulli Becker ihren Schmuckausstellungsbesuch tatsächlich lohnend vergolden können! Mich juckte es geradezu, Ulli Becker einen Strich durch die Rechnung zu machen.
»Auf alle Fälle bin ich gleich bei der Szene dabei, wo Justus und Annabelle sich das erste Mal küssen. Bin gespannt, angeblich soll zwischen den beiden ja was laufen, hab ich gehört. Für wen arbeitest du denn?«
»Eigentlich für TV -plus , ich bin heute aber privat da.«
»Echt? Privat? Ich dachte schon, du schreibst für die Film , weil du nicht mit uns herumgeführt worden bist, sondern Kai sich alleine um dich kümmert. Das macht er doch sonst nur mit den Megawichtigen. Sonst hat er gar nicht die Zeit dazu.«
Aha? Das war ja interessant.
»Was macht denn Kai sonst so?«
Sie sah mich an, als ob ich sie nicht mehr alle hätte.
»Äh, das weißt du gar nicht? Den kennt doch jeder! Das ist der Assistent von Ulli Becker, ihre rechte Hand sozusagen.«
Schlagartig ging mir ein Licht
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