Flurfunk (German Edition)
Zornesfalte und schleuderte hasserfüllt zurück: »Auf die Idee, dass Clara selbst auf dich steht und versucht einen Keil zwischen uns zu treiben, bist du wohl noch nicht gekommen, du Idiot!«
Hey, langsam! Ganz langsam. Annabelle »Intelligenzbestie« Leiniger würde garantiert meinen Freund in spe nicht ungestraft einen Idioten nennen. Und wer war oder wo war die keiltreibende Clara? Sie schien mir die einzig vernünftige Person in dem Film zu sein.
Justus’ Mimik entspannte sich. Verwundert fragte er: »Was soll das heißen?«
Annabelle sah zu Boden, machte, was sie am besten konnte, nämlich einen Augenaufschlag, sah Justus direkt an und hauchte: »Das heißt, dass ich mich in dich verliebt habe.«
Justus hielt inne, ließ einen Moment im Raum stehen, was sie gesagt hatte, um sie dann an sich zu reißen und heftig zu küssen.
Mir wurde übel! Wieso um alles in der Welt rief denn niemand »Stopp«! Das war nicht mit anzusehen! Ich versuchte, mich zu beherrschen. Das war doch nur sein Job! Er musste das machen. Er empfand sicher nichts dabei, gleichgültig, wie überzeugend es aussah.
Endlich schrie jemand: »Danke!«, und die Umstehenden applaudierten. Justus hatte sofort wieder sein Justus-Gesicht, während Annabelle ihn immer noch verliebt ansah. Das war keine Show, Annabelle stand wirklich auf Justus. Als Frau riecht man das.
»Kurze Pause, dann machen wir das noch mal!«
Noch mal? Noch mal?!!
Bitte schön, aber dann ohne mich! Man konnte mir viel nachsagen, aber der Hang zu masochistischen Spielarten gehörte nicht dazu!
»Kai, richtest du Justus bitte aus, dass ich gegangen bin?«
Bevor er antworten konnte, machte ich auf dem Absatz kehrt und ging. Wer wusste schon, wie oft so eine Szene wiederholt würde, und ich wusste ungefähr tausend andere Dinge, die ich an einem Samstagnachmittag lieber machen würde, als Justus und Annabelle beim Knutschen zuzusehen.
»Charlotte! So bleib doch bitte da!« Ich drehte mich um, und Kai Hubertus sah mich schuldbewusst an.
»Wenn Justus erfährt, dass ich dich habe gehen lassen, bringt er mich um.«
»Wieso denn dich? Du kannst doch nichts dafür!«
»Na ja«, druckste Kai rum.
»Also wir sind gestern viel schneller als erwartet fertig geworden, und da hat Uli beschlossen, dass wir die Liebesszene heute Nachmittag vorziehen.«
»Wieso entscheidet denn die Becker, wann welche Szene gedreht wird? Wofür habt ihr denn bitte ’nen Regisseur?«
»Doch nicht die Becker, sondern der Becker, ihr Mann!«
Jetzt verstand ich erst recht nichts mehr!
»Aber hast du nicht Ulli Becker gesagt? Und was hat denn ihr Mann damit zu tun?«
»Na, ihr Mann ist der Regisseur des Films und heißt lustigerweise auch Uli. Einziger Unterschied, er schreibt sich nur mit einem L.«
Ach so! Und wieder fiel ein Groschen! Eine schöne Vetternwirtschaft! Jetzt war mir auch klar, weshalb die Becker ein so ausgeprägtes Interesse daran hatte, dass der Film ein Erfolg wurde! Aber wie konnte man sich gegenseitig Ulli und Uli nennen? Ich liebe dich, Ulli. Ich dich auch, Uli. Wie unsexy! Unter humorig stellte ich mir etwas anderes vor!
Kai fuhr fort: »Als Justus erfahren hat, dass heute die Liebesszene gedreht wird, ist er voll ausgetickt und meinte, dass das nicht ginge, weil er Besuch am Set bekommt, und außerdem sei eine andere Szene geplant gewesen. Er wollte dir absagen, aber Ulli, also die Ulli meinte, dass es kein Problem sei, ich könnte mich um dich kümmern, solange er dreht. Wir versprachen, alles zu arrangieren, aber wirklich überzeugt war Justus nicht. Wenn er jetzt erfährt, dass du gegangen bist, macht er mich ’nen Kopf kürzer!«
»Warum hast du das nicht von Anfang an gesagt?«
Kai sah ganz zerknirscht aus und tat mir Leid.
»Okay. Schwamm drüber. Ich tu dir den Gefallen und bleibe, aber zuschauen werde ich nicht mehr. Und ich will Justus endlich Hallo sagen!«
Erleichtert nickte Kai.
»Das rechne ich dir echt hoch an! Komm, wir gehen zu ihm in die Maske, es ist gerade Pause.«
Kai schob mich an den Komparsen vorbei.
»Ich warte hier auf dich«, sagte er schließlich und deutete auf eine Tür.
Mein Herz begann zu rasen, als ich an die Tür klopfte und eintrat. Justus saß vor einer beleuchteten Spiegelkommode im Halbdunkel und überflog seinen Text. Einige Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht, und wie er so konzentriert dasaß und sich seiner Wirkung wieder nicht bewusst war, sah er unglaublich sexy aus.
Ich räusperte mich, denn er schien mein Klopfen
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