Flurfunk (German Edition)
auf. So lief das also: Kai war mir als Aufpasser zugeteilt! Was würde Ulli Becker wohl sagen, wenn sie wüsste, dass ich gerade ohne meinen Aufpasser ausgerechnet mit Johanna von Zeitgeschehen zusammenstand und mir überlegte, einen dezenten Hinweis auf mein Verhältnis zu Justus zu platzieren? Natürlich war das nur ein Gedanke, aber ein sehr lustiger.
Ich kämmte mir die Haare, spritzte Parfum auf und verließ mit Johanna plaudernd den Container, nur um kurz darauf in das entsetzte Gesicht von Kai Hubertus zu schauen, der fassungslos abwechselnd Johanna und dann mich anblickte. Innerlich musste ich schmunzeln.
Tja, Kai Hubertus, sechs, setzen! Komplett versagt! Wenn das Ulli Becker rausfindet … Die möchte ich nicht sauer erleben. Man sah Kai deutlich an, dass er abwägte, ob und was wir eventuell gesprochen haben könnten.
Johannas Verabschiedung: »Bis später, Charlotte. Und das eben bleibt natürlich unter uns, nicht?«, trug nicht wirklich zu seiner Erleichterung bei. Wie konnte Kai auch ahnen, dass es sich um einen Tampon und keine Liebesbeichte handelte.
»Und? Darf ich bei der Kussszene zuschauen, oder befürchtet ihr, dass ich ausraste und eine peinliche Szene hinlege?«
Kai blickte noch verblüffter drein. Mir schwante inzwischen, wie das alles abgelaufen sein musste. Eigentlich war eine andere Szene für heute geplant gewesen, nämlich die, von der Justus mir berichtet hatte. Ulli Becker hatte aber Zeitgeschehen ans Set eingeladen und wollte was bieten, daher die Liebesszene. Da ich dumme Kuh sie auch noch wegen meines Besuches vorgewarnt hatte, hatte sie kurzerhand Kai als meinen Aufpasser abgestellt, der darauf achten sollte, dass ich nicht auf die Journalistin von Zeitgeschehen oder andere Schreiberlinge traf, bevor nicht alles in trockenen Tüchern war. Nicht schlecht, Frau Becker! Mich wunderte nur, welcher Regisseur sich auf solche Spielchen einlassen und sich vom Management eines Nachwuchsschauspielers so drangsalieren lassen würde?
»Äh, also wenn du magst, können wir zum Dreh. Wir müssen nur darauf achten, dass wir weder die Crew noch die Journalisten bei ihrer Arbeit behindern. Am besten stellen wir uns etwas abseits.«
»Keine Sorge, Kai. Bin doch Profi. Ich weiß doch, wie das so läuft im Filmbiz«, sagte ich etwas überzogen und lächelte ihn breit dabei an.
Unsicher ging er voran und blieb an einer abgeriegelten Sackgasse stehen. Vor einem alten Mini standen Annabelle und Justus. Einen Moment lang verschlug es mir den Atem. Justus sah so unglaublich gut aus, und ihn umgab ein Charisma, das förmlich die Luft erfüllte. Und wie bereits auf der Party und im Puck fiel das anscheinend auch allen anderen auf. Es konzentrierte sich alles auf ihn, und er, der sich seiner Intensität überhaupt nicht bewusst zu sein schien, alberte mit den Journalisten herum. Bisher hatte er mich nicht gesehen, und Kai tat alles, dass das so blieb.
»Du kannst ihn später begrüßen. Dafür ist jetzt keine Zeit« – sagte es und schob mich so in eine Ecke, dass ich zwar sehen, aber nicht gesehen werden konnte.
Ich beschloss, keinen Aufstand zu proben, auch wenn ich allmählich ungeduldig wurde und Justus endlich Hallo sagen wollte.
Es war erstaunlich, wie unscheinbar der eigentliche Drehplatz trotz aufgestellter Richtmikrofone und Kameras aussah. Ich konnte mir kaum vorstellen, wie dieser schmale Ausschnitt von nicht mehr als zwei Metern später auf der Leinwand gut aussehen konnte. Ansonsten war alles so, wie ich es mir gedacht hatte. Die Aufnahmeleiterin hatte natürlich einen Pferdeschwanz und eine Baseballkappe auf und den Funk am Ohr, und die Beleuchter waren kräftige angegrunchte Jungs, wie man sie auch bei Konzerten aufbauen sah.
»Wir fangen an!«, gab der Regisseur, ein braun gebrannter Lebemann Ende vierzig, das Startsignal.
Mit einem Mal herrschte äußerste Ruhe und Konzentration. Justus nahm einen völlig anderen Ausdruck an und begann die Szene.
»Wieso rennst du mir hinterher? Ich weiß, dass du auf Paul stehst!«
Annabelle riss entsetzt ihre Kinderaugen auf.
»Wie kommst du denn auf die Idee? Nur weil ich mit ihm einen Abend weg war?«
Justus sah sie wutentbrannt an. Das war gut. Richtig überzeugend! Vielleicht konnte er die Szene ja abwandeln, sie »Flittchen« nennen und wegfahren; hatten Schauspieler nicht eine gewisse Improvisationsfreiheit?
»Nein, Clara hat es mir gesagt. Sie ist immerhin deine beste Freundin und kennt dich genau!«
Annabelle zeigte ihre kleine
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