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Flurfunk (German Edition)

Flurfunk (German Edition)

Titel: Flurfunk (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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misstrauisch, aber schon viel erleichterter, hakte meine Mutter nach. »Wenn er so erfolgreich ist, müssten wir doch schon von ihm gehört haben, immerhin sind wir ja keine Kunstbanausen!«
    »Es ist Justus Staufen!«
    »Nein! Justus Staufen!«, rief meine Mutter ehrfürchtig aus, mein Vater dagegen sah immer noch verständnislos in die Runde.
    »Leonard, das ist dieser hoch begabte Künstler! Er hat früher Gastrollen im Tatort gehabt, und wir haben ihn auch mal in Schillers Kabale und Liebe gesehen. Und mit Marlene habe ich seinen ersten Kinofilm letztes Jahr gesehen. Leonard, der ist nicht nur eine gute Partie, der ist nicht zu toppen!«
    Meinem Vater schien zu dämmern, wer Justus war.
    Er klopfte mir anerkennend auf die Schulter.
    So viel zum Thema Tiefgang und innere Werte. Ich fragte mich, wo ich Letztere, umgeben von all dieser Oberflächlichkeit, herhaben sollte.
    » Scharlott , du musst ihn mitbringen. Wir veranstalten eine kleine Party zu seinen Ehren. Hach, das wird umwerfend!« Meine Mutter hielt inne und sah mich prüfend an. »Er verfolgt hoffentlich ernste Absichten, Scharlott !«
    Ich nickte, und sie sprang auf, um kurz zu telefonieren.
    Aus der Eingangshalle hörte ich sie aufgeregt mit Marlene schnattern.
    Ich hatte gerade ein Mutterherz glücklich gemacht.
    »Doch, Marlene, Justus Staufen, wenn ich es dir doch sage. Keine Ahnung! Ich weiß auch nicht, wie Scharlott das angestellt hat … Hm, stimmt, wahrscheinlich steht er auf dunkel, gut, dass sie sich nicht blondiert hat. Du, ich muss wieder, wir telefonieren später!«
    Mit geröteten Wangen und leuchtendem Blick setzte sie sich wieder zu uns. So sah also das Paradies für meine Mutter aus: endlich gegen Marlenes Goldstück Katharina anstinken können! Wenn es sie glücklich machte …
    Geradezu euphorisch tätschelte sie meine Hände, sah mich an, holte tief Luft, nicht um, wie ich vermutet hatte, mit stolz geschwellter Brust zu verkünden, dass ich so einen Fisch ja nicht wieder von der Angel lassen durfte – nein, meine Mutter nutzte wie immer die Gelegenheit, um sich selbst einzubringen.
    »Wusstest du, Scharlott , dass ich selber fast Schauspielerin geworden wäre? Ich stand kurz vor einer Filmkarriere!«
    Mein Vater rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her, ein eindeutiges Zeichen, dass eine für ihn ungemütliche Geschichte folgen würde. Zumindest war es eine, die ich noch nicht kannte.
    »Das hast du mir ja noch nie erzählt, Mama!«
    Theatralisch, so als ob ihr gerade wieder das kleine Einmaleins der Filmdiven eingefallen wäre, winkte sie ab.
    »Weißt du, Scharlott . Das ist eine schmerzhafte Episode in meinem Leben, an die ich nicht gerne zurückdenke. Ich bin auf der Straße von einem Herrn angesprochen worden, weil ich schon damals ein so ausdrucksvolles Gesicht hatte. Zuerst dachte ich, das sei ein Perverser, aber bei genauen Nachforschungen stellte sich der Herr als renommierter Künstleragent heraus. Ich war gerade zwanzig geworden und mit deinem Vater verlobt.« Sie warf einen vorwurfsvollen Seitenblick auf meinen Vater, der – wie unhöflich – sich die Sonntagszeitung vor die Nase hielt und sehr unbeteiligt tat.
    »Ja und dann?«, hakte ich ungeduldig nach.
    »Na, ich ließ mich in seine Kartei aufnehmen und wurde tatsächlich für eine Produktion eingeladen. Vorsprechen bei Kalwer, dem großen Regisseur! Natürlich probte ich wie eine Besessene und war bereit, mein Talent unter Beweis zu stellen!«
    Sie legte eine Kunstpause ein, sie hatte ihr Publikum im Griff!
    »Und was ist passiert? Jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!«
    Nach einem langen, leidenden Seufzer antwortete sie: »Ich bin nie hingegangen.«
    »Wie bitte? Warum denn nicht?«
    »Ja, warum wohl nicht! Frag doch deinen Vater!«
    Wenn es eine Steigerung von schnippisch gab, saß sie vor mir.
    Was hatte er damit zu tun? Schlummerte in meinem Vater ein eifersüchtiger Liebhaber, den ich nicht vermutet hätte?
    Bisher hatte ich ihn relativ gleichgültig und immun den Launen und Macken meiner Mutter gegenüber erlebt. Sollte er sie wirklich abgehalten haben?
    Nachdem klar war, dass mein Vater sich nicht äußern würde, sondern lieber noch mal im Fernsehteil der Zeitung nachschaute, ob die Tagesschau tatsächlich um 20 Uhr lief, fuhr sie fort: »Er hat mich damals angefleht, nicht hinzugehen. Ich würde unsere Zukunft aufs Spiel setzen! Er meinte, ich solle es lieber lassen, Schauspielerin sei nichts Seriöses und schon gar nichts für

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