Flurfunk (German Edition)
überlegt übrigens, dich oder Caroline zur Trauzeugin zu machen. Ist das nicht aufregend?«
Für meine Mutter sicher, denn das garantierte ihr, mitplanen und probehalber zusehen zu dürfen, wie man unsere Hochzeit ausrichten konnte.
Ich war mir sicher, dass Katharina niemals allein auf die Idee gekommen war, sondern auf mehr oder weniger sanften Druck von meiner Mutter und Marlene hin, die sich nicht von ihrer Überzeugung abbringen ließen, dass Katharina und wir wie Schwestern wären.
»Was bedeutet das genau?«
»Du wirst in die Vorbereitung mit einbezogen, darfst die Hochzeitszeitung beaufsichtigen, Geschenke absprechen, Fürbitten aussuchen, die Abendgestaltung mitplanen und so weiter.«
Okay! Man musste Abstriche machen. Das Universum gab einem zwar Justus Staufen, dafür musste man Katharinas Trauzeugin werden. So funktionierte das eben. Ein fairer Deal. Ich nahm mir vor, keinen Aufstand zu machen, sondern mich, so gut es ging, aus der Sache herauszuhalten.
Wir setzten uns an den üppig gedeckten Tisch. Mein Vater saß bereits und sah uns tadelnd an.
»Auch wenn ihr das schöne Geschlecht seid und euch einiges rausnehmen dürft, so lege ich immer noch Wert auf Pünktlichkeit. Was gab es denn schon wieder zu tratschen?«
Meine Mutter spielte die Beleidigte. »Also weißt du, Leonard! Man wird wohl noch die eigene Tochter begrüßen dürfen! Schließlich hat sie jetzt einen Freund, habe ich läuten hören. Wurde ja auch langsam Zeit, wenn selbst ihre homosexuelle Freundin Lena sich eines Besseren besonnen, den richtigen Weg wiedergefunden hat und mit Casper Kröger ausgeht.«
»Mama, Lena war noch nie lesbisch! Sie hatte immer nur Freunde!«, protestierte ich entschieden.
Mein Vater zog verwundert die Augenbrauen hoch.
»Susanne, hattest du Casper Kröger nicht für Lotte vorgesehen?«
»Leonard, denk bitte endlich daran, mich Süsann zu nennen, und nein, Casper Kröger hatte ich nicht für Lotte vorgesehen. Er ist viel zu unkonventionell.«
Wenn meine Mutter etwas nicht leiden konnte, dann zuzugeben, dass sie versagt hatte, vor allem in ihrem Terrain als Kupplerin.
Wenn sie Casper Kröger bereits als unkonventionell empfand, was würde sie erst zu Justus sagen …!
Nun wandte sich mein Vater an mich. »Stimmt das, Lotte, dass du einen neuen Freund hast? Aber hoffentlich keinen dieser unseriösen Fernsehfuzzis! Du weißt, du hast mehr Klasse, Kind!«
»Jetzt lass sie doch mal erzählen. Wie heißt er denn, was macht er?« Meine Mutter wurde langsam nervös.
Das Spiel konnte beginnen.
»Er heißt Justus!«
»Anständiger Name. Nicht so ein moderner Quatsch wie Kevin oder Steven«, warf mein Vater ein.
Meine Mutter warf ihm einen Blick zu, der ihn sogleich verstummen ließ.
»Und er ist Schauspieler!«
Ding, ding, ding, Jackpot! Bei »Schauspieler« waren beiden gleichzeitig die Kiefer heruntergeklappt. Mein Vater fasste sich schneller als meine Mutter, die gerade alle ihre Felle davonschwimmen sah. Nie wieder eine Stehparty mit ihrer Tochter Charlotte als Smalltalkthema!
»Schauspieler? Du meinst, in seiner Freizeit? Was machen denn seine Eltern beruflich?«
»Nein, Papa, sein Beruf ist Schauspieler, und sein Vater ist auch Schauspieler und seine Mutter Journalistin.«
Meine Eltern hielten sich zur moralischen Unterstützung an den Händen, als ob ich ihnen gerade gebeichtet hätte, einen Kinderhandel zu betreiben.
Da meine Mutter immer noch sprachlos dasaß, bohrte mein Vater weiter. »Lotte! Und was machen diese Schauspieler, wenn ich fragen darf? Nackt auf Provinzbühnen rumrennen? Oder versuchen sie vielleicht, Klassikern mit ihrer Stümperhaftigkeit einen neuen Anstrich zu verpassen? Lotte, das ist doch nichts für dich!«
Meine Mutter fand endlich ihre Sprache wieder. »Leben sie in einer Kommune?«
»Nein, im Wohnwagen!«, versuchte ich einen Scherz, doch die entsetzten Gesichter meiner Eltern, die mir das sofort abnahmen, zeigten mir, dass momentan kein geeigneter Zeitpunkt für Witze war.
Eigentlich hätte ich sauer sein müssen, da ich aber meine Eltern bestens kannte und wusste, dass man sie nicht ändern kann, versuchte ich ihrer Reaktion mit Gelassenheit zu begegnen.
»Okay. Jetzt kriegt euch wieder ein! Justus’ Vater ist Professor am Stein-Konservatorium, seine Mutter ist Journalistin für Reisereportagen, und Justus ist ein erfolgreicher Schauspieler – nicht, dass das ausschlaggebend wäre, aber sonst schlaft ihr nachts ja gar nicht mehr!«
Immer noch
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