Flurfunk (German Edition)
Justus’ Auto Ausschau – er fuhr einen Sportwagen, einen alten
MG –, konnte den Wagen aber nirgends entdecken.
Enttäuscht drückte ich auf die Klingel.
»Kommt rein, ihr Lieben!« Katharina öffnete strahlend und mit ausgebreiteten Armen die Tür.
»Yannick, so hilf ihnen doch beim Ablegen«, zischte sie im nächsten Moment ihren Verlobten wie einen abgerichteten Rottweiler an.
Er wirkte nicht besonders glücklich. Und wieder stellte ich mir die Frage, was ein so attraktiver, charmanter Kerl mit Katharina anfing, zumal die beiden nicht wirklich innig miteinander umgingen.
Wir folgten Katharina in ihre stylische Neubauwohnung, die sich über zwei Etagen erstreckte. Eigentlich hatte ich gedacht, derart protzige Yuppiewohnungen mit Stilblüten der 80er gäbe es gar nicht mehr. Die Wohnung war sozusagen mit moderner Kunst – oder was Katharina dafür hielt – geschmückt. Die meisten Bilder und Objekte waren zweifelsohne teuer gewesen, genau wie der Rest der Einrichtung. Lena stupste mich an und zeigte unauffällig auf einen gläsernen Beistelltisch. Auf ihm stand eine rote Lampe, aber nicht irgendeine. Es war eine dieser Gummibärchenlampen, die Ende der 90er den Markt erobert hatten. Damals dachten alle, zur Jahrtausendwende ginge die Welt unter – nur so war das Design zu entschuldigen, der Kauf einer solchen Lampe hingegen nicht.
»Was trinkt ihr als Aperitif?«, rief Katharina aus der Küche.
Sie fuhr ja wirklich die Nummer »Lass uns wie die Großen feiern!«.
»Sagt, wer fehlt denn jetzt noch?«, rief Katharina nun scheinheilig.
»Casper, Justus und Tim«, erbarmte Lena sich, das durchschaubare Spiel mitzuspielen.
»Stimmt. Wann kommt denn Justus? Er ist ja sicher sehr beschäftigt?« Mit einem Tablett kam Katharina ins Zimmer gewirbelt, die langen blonden, gerade geschnittenen Haare wehten im Takt. Irgendetwas war heute anders an ihr. Wenn ich nur gewusst hätte, was. Vielleicht lag es an dem Ausschnitt ihres Oberteils – sonst war sie immer züchtig mit Ralph-Lauren-Blüschen unterwegs. Oder war es das Make-up? Nein. Ich sah sie mir genauer an! Die Lippen! Die leuchteten aber auch rot heute! Seit wann trug Katharina denn so dick Lippenstift auf … Nein, die Frage musste lauten: Seit wann hatte Katharina doppelt so große Lippen? Sie mussten aufgespritzt sein … Aber derart gut gemacht, dass man es nicht auf den ersten Blick sah. Soweit ich wusste, war das eine ganz neue Methode, nicht mehr einfach aufspritzen, sondern an den Lippenrändern etwas Silikon einfügen.
Gehörte das zur Hochzeitsvorbereitung, oder war das nur ein kleines Goody, um Justus zu beeindrucken?
Katharina war wie ihre Mutter Schönheits- OP s nicht abgeneigt. Gern vertrat sie so schlaue Sätze wie »das muss jeder für sich selbst entscheiden, aber wenn mein Partner in dreißig Jahren noch neben mir aufwacht und sich kein jüngeres Model suchen muss, sehen wir ja, wessen Investition die richtige war«. So hatte Katharina schon vor Jahren ihren Busen machen lassen, übrigens eine der wenigen Aktionen, die meine Mutter als nicht nachahmenswert empfand. Ihre Freundin Marlene war gerade von ihrem Mann verlassen worden und hatte zur Wiedererlangung des Selbstwertgefühls generös eine Runde OP s geschmissen: für Katharina den Busen und für sich selbst eine Gesichtsstraffung.
Es klingelte an der Tür.
Katharina sprang auf.
»Ich geh schon!«
Lena und ich schauten ihr beide nervös hinterher.
»’n Abend zusammen!«
Tim!
Yannick begrüßte ihn, nachdem Katharina enttäuscht zurückkam.
»Dein Kollege, Charlotte.«
Das Gespräch kam nicht richtig in Gang, was vor allem an Lena und mir lag. Wir saßen wie auf heißen Kohlen. Katharina hatte den Versuch, ein wenig Smalltalk zu betreiben, schnell wieder eingestellt. Lediglich Tim und Yannick unterhielten sich angeregt, sodass wenigstens zwei ihren Spaß hatten. Sie verschwanden nach einer Weile kurz auf den Balkon und kamen noch fröhlicher und komplett zugedröhnt wieder rein. Katharina schaute entsetzt von einem zum anderen.
»Yannick! Ihr habt doch nicht etwa gekifft?«
Das fanden die beiden offensichtlich zum Schreien komisch.
»Spinnt ihr? Bei mir werden keine Drogen genommen! Yannick, was ist denn los mit dir? So kenne ich dich ja gar nicht!«
Mir schien, Katharina kannte Yannick tatsächlich nicht besonders gut.
Er guckte Katharina mit tellergroßen Augen an und antwortete: »Ich mich auch nicht«, dann kugelte er sich vor Lachen.
Tim stimmte mit ein, und
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