Flurfunk (German Edition)
ausreichte?
Ich atmete tief durch, öffnete die Tür und ging wieder zu den anderen zurück.
Katharina war plötzlich gut gelaunt und kicherte albern. Ob sie auch mal gezogen hatte?
Gerade als ich meine Ausrede anbringen wollte, sah ich ihn! Justus lehnte an der Küchentür mit einem Drink in der Hand und blickte mich einfach nur an. Er trug ein weißes, an den Ärmel umgekrempeltes Hemd, dazu eine graue Hose mit Hosenträgern. Die Klamotten mussten vom Dreh stammen, und mit seinen Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht fielen, sah er aus wie ein englischer Dandy.
Ohne mich aus den Augen zu lassen, stellte er seinen Drink ab, kam auf mich zu, nahm mein Gesicht in die Hände und flüsterte mir ins Ohr: »Ich hab dich so vermisst! Wenn du wüsstest, wie gut es tut, dich zu sehen!«
Er zog mich in den Flur und küsste mich, als ob er mich jahrelang nicht gesehen hätte; er hatte mich wohl wirklich vermisst. Aber weshalb hatte er sich dann nicht gemeldet?
Als hätte er meine Frage erraten, sagte er: »Oh Mann, ich bin so durch. Das war vielleicht ’ne Tour! Den ganzen Tag Stimmung machen, immer wieder die gleichen Fragen beantworten! Ich bin abends nur noch tot ins Bett gefallen und war froh, kein Wort verlieren zu müssen. Und nächste Woche geht’s mit den letzten Dreharbeiten weiter.«
Wie schaffte er es nur trotz Stress und wenig Schlaf, so frisch und gut auszusehen? Bei mir rächte sich schon eine durchfeierte Nacht.
Justus zog mich näher an sich heran. »Komm, wir hauen einfach ab und fahren zu mir, oder sollen wir wieder rein?«
Der Gedanke, einfach abzuhauen, war verführerisch, doch das konnte ich Lena nicht antun. »Lass uns noch eine Weile zu den anderen gehen. Wir müssen ja nicht ewig bleiben.«
Jetzt, wo er da war, entspannte ich mich auf einen Schlag. Lena lächelte ebenfalls erleichtert, als wir uns zu den anderen setzten. Die Stimmung war, wer hätte das von einer Einladung bei Katharina gedacht, bombastisch!
Die Jungs waren eh schon jenseits von Gut und Böse, Lena saß selig neben Casper und sprach mit ihm über die anstehende Wahl, Katharina hatte aufgegeben, einen perfekten Abend inszenieren zu wollen, und war für ihre Verhältnisse locker drauf, was bedeutete, dass sie keinen Schreikrampf bekam, als Yannick anstatt der Fischmesser normales Besteck auflegte.
Nur eines ließ sie sich nicht nehmen, nämlich die traute Runde zu fotografieren, wobei ich vermutete, dass sie den Bildausschnitt auf Justus ausgerichtet hatte, denn sie zoomte so lange, dass wir anderen längst nicht mehr im Bild sein konnten. Wenn es sie glücklich machte …
Justus, Tim und Lena, die sich ja bereits kannten, verstanden sich prächtig.
Katharina lauschte andächtig Justus’ Worten und nickte zustimmend zu allem, was er sagte.
Er war aber auch ein glänzender Unterhalter. Er war gebildet und belesen, ließ aber nie den Bildungsheinz raushängen. Er ging auf jeden ein, fragte nach und ging nicht davon aus, dass sich alle für ihn interessieren mussten, weil er ein bekannter Schauspieler war.
Als wir den Tisch für das Dessert deckten, flüsterte Lena: »Mann, bin ich froh, dass er aufgetaucht ist. Du warst vorher nur noch ein Häufchen Elend. Und jetzt ist es doch noch ein richtig gelungener Abend geworden, und alle verstehen sich bestens.«
Lena hatte Recht. Selbst Katharina war zu ertragen und sprach nicht ständig von den Hochzeitsvorbereitungen. Auch Yannick schien sich nicht mehr fehl am Platz zu fühlen. Tim kümmerte sich aber auch wirklich nett um ihn.
Nach dem Dessert und einigen unterhaltsamen Anekdoten brachen Justus und ich endlich auf, wenn auch nicht, ohne vorher von Katharina lebenslanges Wohnrecht eingeräumt zu bekommen, zumindest kam das ihrem »Ihr seid jederzeit und immer willkommen, auch ohne Voranmeldung« sehr nahe.
»Deine Freunde sind echt nett. Vor allem Lena finde ich klasse. Obwohl sie ganz anders zu sein scheint als du. Auf den ersten Blick fragt man sich, wie ihr beiden dazu kommt, befreundet zu sein, aber wenn man euch ’ne Weile beobachtet, merkt man schon, dass ihr euch sehr gut ergänzt.«
»Allerdings! Lena ist mein wandelnder Betablocker und ich ihr Aufputschmittel oder Durchschnittsbürger, an dem sie ihre Weltverbesserungsversuche durchführen kann.«
Ich ließ meinen Wagen stehen und stieg zu Justus in den MG . Er legte eine Kassette mit englischen Liedern aus den 20ern ein, der Sound passte gut zu seinem Styling. Justus hatte definitiv etwas von einem der alten
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