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Flurfunk (German Edition)

Flurfunk (German Edition)

Titel: Flurfunk (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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mein Beruf, das gehört dazu … habe ich auch satt. Ich fahre da jetzt hin und werde ein klärendes Gespräch mit Justus führen. Lächerlicher als eine in der Öffentlichkeit fast Daumen lutschende Annabelle Leiniger kann man nicht sein. Wenn du nicht mitkommst, okay. Ich fahre auch alleine!«
    Lena zog sich ihre Schuhe an und rief: »Du spinnst, aber du glaubst nicht im Ernst, dass ich dich in diesem Zustand alleine fahren lasse!«
    Mein Handy klingelte. Ob der gnädige Herr sich bequemte anzurufen?
    Keine Rufnummer.
    »Hi Lotte! Hast du zufällig gerade Drechsler gesehen? Die Leiniger dreht durch!« – Tim.
    »Tim, ich weiß, ich bin schon auf dem Weg zu Justus. Ich will eine Erklärung!«
    »Und was ist mit der Arbeit morgen? Ich denke, Justus ist in Hamburg.«
    »Morgen Früh bin ich längst wieder zurück.«
    »Fährst du alleine?« Tim klang besorgt.
    »Nein, Lena kommt mit.«
    Tim räusperte sich.
    »Äh, habe ich das richtig in Erinnerung, dass Lena keinen Führerschein hat? Fährst du etwa die Strecke, hin und zurück?«
    Lena hatte tatsächlich keinen Führerschein, natürlich aus umweltschützerischen Gründen, zumindest war das der offizielle Grund. Inoffiziell waren ihr Autos und Flugzeuge wegen ihrer Schnelligkeit unheimlich. Sie war auch eine der Beifahrerinnen, die, obwohl sie noch nie selbst gefahren waren, mitbremsten und immer Achtung schrien, wenn man in der 30er-Zone wagte, 40 zu fahren.
    Am schlimmsten war es auf der Autobahn, wenn Lena verkrampft auf dem Nebensitz starr nach vorn schaute, sich mit einer Hand am Türgriff festhielt und mit der anderen am Handschuhfach abstützte, während sie vor sich hinmurmelte: »Typisch deutsch! Freie Fahrt für freie Bürger. Kein anderes Land hat so hohe Geschwindigkeitsbeschränkungen und so viele Unfalltote!« –
Dann folgte ein kurzer Vortrag über deutsche Autobahnen, der nur für ein »Lieber fünf Minuten später, als im Arm der Sanitäter« unterbrochen wurde, wenn ich es wagte, auf der linken Spur einen bulgarischen Menschenschlepperlaster zu überholen, der schon Zivilbullen in mir vermutet hatte, weil ich so langsam und dicht hinter ihm her fuhr.
    Nein, es war wirklich kein Spaß, mit Lena Auto zu fahren, aber irgendjemand musste meinen Gedankensprüngen zuhören.
    »Ich komme mit! Du fährst hin, und ich löse dich ab! Wer weiß, vielleicht springt ja Material für die Nachrichten dabei raus!«
Tim war spontan und konnte wahnwitzigen Ideen etwas abgewinnen!
    Kurze Zeit später sammelten wir Tim ein, der alle möglichen guaranahaltigen Getränke mitbrachte.
    Als ich nach einer Dose greifen wollte, nahm Lena sie mir aus der Hand.
    »Lass mal, deine Drehzahl ist so schon viel zu hoch!«
    Die Fahrt war, mal abgesehen von meiner unglaublichen Wut im Bauch, sehr witzig. Tim hatte mein Auto das »Rächermobil« getauft. Zwischendurch wählte Lena Justus’ Nummer für mich, aber auch nur, um mit seiner Mailbox verbunden zu werden. Das war definitiv ein schlechtes Zeichen. Warum gab er ausgerechnet nach dem epochalen Annabelle-Auftritt kein Lebenszeichen von sich, wo er sonst immer anrief?
    Ich hatte kein gutes Gefühl.
    Tim legte eine selbst gebrannte CD ein.
    Das erste Lied war Freedom , die Robbie-Version.
    Er wippte und sang lautstark mit. »Lotte, das brauchst du jetzt! Du musst dich stark und unabhängig fühlen. Komm, sing mit, du auch, Lena! Freeeedom, Freeeedom …«
    »Tim, welche Lieder sind noch auf der CD ?« Lena bekam es mit der Angst zu tun. Klar, jemanden, der Norah Jones gerade noch gut, aber schon schwer kommerziell fand, konnte man mit einem Cover von George Michael das Fürchten lehren.
    »Chaka Kahn I’m every woman , dann Aretha Franklin Respect – und falls das Treffen schlimm endet, noch I will survive .«
    Ich musste lachen.
    »Ist das die rosa Kompilation, oder wie kommst du auf diese Auswahl?«
    Beleidigt drehte Tim die Musik aus.
    »Dann eben nicht! Wenn die Damen sich zu fein sind …! Ihr wisst genau, dass ich auch andere Musik höre. Aber diese CD hat mir schon treue Dienste geleistet.«
    Das klang spannend.
    »Erzähl mal!«
    Tim, immer noch eingeschnappt, ließ sich anfangs alles aus der Nase ziehen. Warm gelaufen, war er nicht mehr zu bremsen.
    Wir erfuhren, dass er als Teenie unsterblich und unglücklich in einen verheirateten Englischreferendar verknallt gewesen war, der sich nur an Tims plötzlichen guten Leistungen erfreute. An der Uni hatte er wechselnde Affären gehabt und sich dann in einen fünfzehn Jahre

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