Flurfunk (German Edition)
und dann wieder gar nicht.«
Das war mir alles bewusst. Trotzdem machte es mich unsicher. Ich wusste noch nicht, wie Justus zu mir stand. Gut, er betonte immer wieder, wie ernst es ihm mit mir sei, und ließ mich wissen, dass ich Dinge in ihm weckte, die er zuvor nicht gespürt hatte, aber er vermied es, von uns als Paar oder mir als Freundin zu sprechen. Auch wenn es komplett lächerlich war, würde ich mich wohler fühlen, wenn er mir sagte, dass er mich liebte. Zumindest einige Tage lang. Doch ich wäre lieber gestorben, als meine Gedanken zu äußern, so viel stand fest.
Justus gab mir einen Kuss und kitzelte mich.
»So, Charlotte, Trübsal kannst du blasen, wenn du alleine zu Hause wartest, während der Mann hinaus ins feindliche Leben muss. Jetzt lassen wir es krachen!«
Unter Krachenlassen verstand Justus, Strippoker zu spielen und zu jeder Runde einen Drink zu kippen. Ich erkannte mich selbst nicht wieder!
einundzwanzig »Lotte, los, komm schnell, Justus gibt ein Interview auf Kanal 8!« Lena winkte mich hektisch ins Wohnzimmer.
Als ob ich das nicht wüsste!
Justus war bereits zwei Wochen unterwegs, ich kannte die Termine der Interviews und ihre Ausstrahlungszeiten auswendig, hatte jede Sendeminute mit Justus festgehalten und nebenbei ein privates Videoarchiv aufgebaut.
Justus in Talkshows, Justus auf sämtlichen Partys und Premieren der Republik, wie er zum Film und zu Partyskandalen befragt wurde, immer lachend, immer gut drauf, immer unglaublich sexy und vor allem immer weit weg von mir. Das alles hätte ich noch verkraftet, schließlich verkauft man mit hängenden Mundwinkeln und einsilbigen Antworten weder ein Image noch einen Film, aber warum gab es ihn auf der Mattscheibe nur im Doppelpack mit Annabelle-beschütze-mich-Schleimiger, die sich entweder kichernd bei ihm untergehakt hatte oder ihn bewundernd ansah, während er auf so lebenswichtige Fragen wie »Wie gefällt Ihnen die Musik heute Abend?« oder »Haben Sie Dorothea Kindels Kleid gesehen?« antwortete.
Ich war tapfer! Sehr tapfer! Ich zählte die Tage herunter und versuchte, nicht daran zu denken, dass er mit Annabelle Liebesszenen drehte!
Ein Versuch, der ganz und gar misslang, oder wie sonst ließen sich die wiederkehrenden Albträume erklären, in denen ich Justus und Annabelle beim Dreh in verschiedenen Posen vor mir sah? Nicht mehr lange und ich hatte das komplette Kamasutra durchgeträumt. Es war nicht so, als ob Justus mich vergessen hätte. Nein, er rief an, wann immer er konnte, nur leider konnte er nur selten frei sprechen – irgendjemand war immer im Hintergrund und rief: »Justus, wir müssen!« Und nachts im Hotelzimmer war er total erledigt. Vorgestern war er sogar kurz am Handy eingeschlafen!
Das Schlimmste aber war, dass es noch zwei lange Wochen so weitergehen würde!
»Schon erstaunlich, wie die Schleimiger sich erniedrigt, wenn man bedenkt, dass sie weiß, dass Justus vergeben und mit dir zusammen ist.«
Lena mochte Annabelle so wenig wie ich, wenn auch aus anderen Gründen. Sie hielt es für unverantwortlich, ein Frauenbild, wie Annabelle es darstellte, zu propagieren. Neurotische, selbstverliebte Hungerhaken gab es zur Genüge, es mussten sich wahrlich nicht mehr Mädels den Finger in den Hals stecken, und Annabelle gehörte zudem zu der Sorte, die die Botschaft lebte: Wozu intelligent sein oder eine eigene Meinung haben? Reicht doch, als kichernder, dekorativer, allzeit anhimmelnder Kleiderständer aufzufallen. Wozu widersprechen, wenn einem etwas nicht passt? Schmollmund und Tränen in den Augen funktionieren viel besser!
»Ach Lena, bin ich denn wirklich mit ihm zusammen? Gesagt hat er es noch nie. Weder ›Das ist Charlotte, meine Freundin‹ noch, dass er mich liebt.«
»Papperlapapp! Bei euch ist alles klar. Natürlich wäre dir am liebsten, er unterzeichnete eine eidesstattliche, notariell beglaubigte Urkunde: ›Ich, Justus Staufen, verpflichte mich, Charlotte Rosenzweig auf mindestens vierzig Jahre zu lieben, mit Option auf zwanzig weitere Jahre!‹ Lotte, du musst einfach begreifen, dass Justus Künstler ist und er sich vielleicht nicht an gewohnte Riten hält, zumal er, was den ernsthaften Bereich anbelangt, nicht so viel Erfahrung mitbringt im Vergleich zu seinen sündigen Abenteuern.«
Lena stand auf und zündete den Kamin an. Es wurde Herbst und abends schon deutlich kühler. Cara sprang sofort auf ihren Lieblingsplatz vor dem Kamin.
»Gehst du noch weg?«, fragte ich, denn Lena traf sich
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