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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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Hämmern auf Eisenbahnschienen glich. Drew spielte tief und klar; nichts hätte uns glücklicher machen können. Er spielte alte, bekannte Lieder: ›Expert Town‹ und ›Lord Bateman‹; er spielte ›He Was a Friend of Mine‹ und ›Shaggy Dad‹ und Leadbellys ›Easy, Mr. Tom‹.
    »Dafür müßte ich eigentlich eine Zwölfsaitengitarre haben«, erklärte er, aber es klang trotzdem gut.
    Lewis brachte die gebratenen Steaks, während Drew noch spielte, und dann aßen wir, jeder zwei kleine Steaks und dazu große Scheiben Weißbrot, das Lewis’ Frau selbst gebacken hatte. Danach tranken wir noch einen Bourbon. Das Feuer ließ uns langsam im Stich. Auf dem Fluß war sein Widerschein bereits erloschen.
    »Euch ist sicher klar«, sagte Lewis, »daß uns für so was nicht mehr allzu viele Jahre bleiben.«
    »Da hast du wohl recht«, sagte ich. »Und ich kann dir sagen, ich bin froh, daß wir gefahren sind. Ich bin froh, hier zu sein. Ich möchte im Moment nirgendwo anders sein.«
    »Du hast recht, Lewis«, sagte Bobby. »Du hast recht wie immer. Es ist großartig. Und ich finde, daß wir gut mit dem Fluß zurechtgekommen sind. Ich meine als Amateure.«
    »Ja, gut genug, glaube ich«, sagte Lewis. »Aber ich bin heilfroh, daß sich unser verdammtes Boot nicht noch einmal gedreht hat, als wir ins Wildwasser kamen. Das hätte übel ausgehen können.«
    »Aber wir haben’s geschafft«, sagte Bobby. »Und ich glaube nicht, daß es noch mal passieren wird, oder?«
    »Hoffentlich nicht«, sagte Lewis.
    »He, Leute, auf in die Schlafsäcke«, sagte ich und reckte mich.
    »Übrigens hatte ich meinen ersten feuchten Traum in einem Schlafsack«, sagte Lewis. »Ob ihr’s glaubt oder nicht.«
    »Wie war’s denn?« fragte Bobby.
    »Phantastisch. War nie wieder so.«
    Schließlich stand ich auf und stolperte ins Zelt. Ich war hundemüde und verfluchte die Schnürsenkel meiner Tennisschuhe, die im Wasser ganz steif geworden waren, so daß ich sie nicht aufknüpfen konnte. Ich zog die Schuhe mit Gewalt aus, warf alles andere von mir, kroch in den Schlafsack und zog den Reißverschluß hoch. Draußen am Ufer spielte Drew immer noch auf seiner Gitarre. Wie aus weiter Ferne hörte ich ihn hohe Molltöne versuchen. Ich legte mich zurück ins Weiche und wühlte mich in die elastische Luftmatratze. Ich knipste die Taschenlampe aus und schloß die Augen.
    Ich war weit weg und zugleich ganz da. Tot wie ein Stein lag ich da und horchte in die Nacht. Worauf, wußte ich nicht. Vielleicht war es eine feurige menschliche Stimme, das unirdische betrunkene Heulen eines Menschen – vielleicht war es das Heulen des alten Tom McCaskill, der an seinem Lagerfeuer hockte und in die Nacht hinausschrie. Dann war wieder alles still. Ich drehte mich auf die andere Seite und sah Drew, der nun neben mir lag, die Hand an der Naht des Schlafsacks. Zu meinen Füßen hörte ich das Rauschen des Flusses, und hinter meinem Kopf war der Wald, unvorstellbar dicht und dunkel. In ihm gab es nichts, was mich kannte. Es gab da Lebewesen, die eine Pfote erhoben hatten und sie nicht wieder auf das Laub zu setzen wagten, weil sie fürchteten, ein Geräusch zu machen. Es gab da Augen, die für die Dunkelheit geschaffen waren. Ich öffnete meine Augen und erblickte die Dunkelheit in ihrer ganzen Schwärze. Ich sah Marthas Rücken vor mir, wie er sich hob und senkte und sich schließlich im Atelier auflöste, denn wir hatten gerade festgestellt, daß die Fotos, die wir geschossen hatten, nicht gut waren, und wir hatten das Modell wieder zurückgerufen. Wir hatten uns auch mit der Idee des Verkaufsmanagers von Katts angefreundet, der das Reklamebild so gestalten wollte, wie es die Leute von Coppertone mit dem kleinen Mädchen und dem Hund gemacht hatten. Wilma, die Sekretärin, preßte die Krallen der Katze heraus und drückte sie tief in die Hinterseite von dem Höschen des Fotomodells. Da war Thad, und da stand ich. Das Höschen dehnte sich, die Katze zerrte daran und versuchte, ihre Krallen aus der Wolle zu lösen, sprang dann plötzlich hoch und krallte sich in das Gesäß des Mädchens. Das Mädchen kreischte auf, der Raum brach in Panik aus, sie wirbelte die Katze im Kreis herum, dieses kleine orangefarbene Gebilde des Schreckens, das mit der einen Pfote noch immer am Höschen des Mädchens hing, es halb herunterzog und dabei mit den Krallen im Gesäß und hinten am Oberschenkel des Mädchens wühlte. Ich war gelähmt. Niemand rührte sich, niemand unternahm etwas.

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