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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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nichts geschieht und ich wieder heil die Felswand herunterkomme, dann werden wir noch ein paar Kilometer im Boot flußabwärts fahren, uns ein paar Tage in der nächsten Stadt erholen, Drew als ertrunken melden und dann wieder in der nicht endenden, zermürbenden Routine unseres täglichen Lebens versinken. Aber man hatte uns eine Rolle aufgezwungen, und die mußten wir erst einmal zu Ende spielen. Ich war ein Killer. Und es ging um Tote – um einen eindeutigen Mord und vermutlich noch um einen zweiten. Das kalte Fiberglas des Bogens ruhte in meiner Hand. Ich lag auf dem Rücken in einer Felsspalte über einem Fluß, und womöglich stand alles gut für mich. In meiner Vorstellung schaffte ich es, bis nach oben zu klettern. Das Ganze wurde unscharf wie ein alter Film, der auf der Leinwand nur mit Mühe zu erkennen ist. Oben war die Felsschicht wild und überwachsen und rauh, und ich erinnerte mich, daß sie auch dicht bewaldet war. Ich wollte mir etwas Bestimmtes vornehmen, was ich tun konnte, wenn ich dort oben angelangt war, und während ich so dalag, dachte ich angestrengt nach, was ich dort zweckmäßigerweise als erstes tun sollte. Ich mußte es zugeben: Ich glaubte, es drohte in Wirklichkeit gar keine Gefahr, zumindest nicht von einem menschlichen Wesen. Im Grunde glaubte ich gar nicht, daß der Mann, der Drew erschossen hatte, die ganze Nacht dort oben warten würde, um noch einmal auf uns zu schießen, und ich glaubte auch nicht, daß er bei Morgengrauen zurückkommen würde. Doch dann erinnerte ich mich an das, was ich Bobby über den Mann gesagt hatte, und war wieder beunruhigt. Wenn ich er wäre – von diesem Gedanken gingen alle meine Überlegungen aus. Ich dachte alles noch einmal durch und kam zu der Überzeugung, daß ich recht hatte, soweit ich es beurteilen konnte. Es sprach mehr dafür, daß er uns alle zur Strecke zu bringen versuchte, als daß er uns laufen ließ. Auch er hatte eine Rolle in diesem Spiel. Ich drehte mich herum. Gut, sagte ich zu dem schwarzen Felsen vor meinem Gesicht, wenn ich oben bin, werde ich als erstes aufhören, an Martha und Dean zu denken. Ich werde nicht mehr an sie denken, bis ich sie wiedersehe. Und dann werde ich hinunterblicken auf den ruhigen Abschnitt des Flusses und die Lage erkunden, bevor es hell wird. Anschließend werde ich landeinwärts gehen und einen Kreis schlagen, lautlos wie ein Tier des Waldes, und ihn suchen. Wie ein Tier? Was für ein Tier? Einerlei – es kommt nur darauf an, daß ich lautlos bin und tödlich. Eine Schlange vielleicht. Vielleicht kann ich ihn im Schlaf töten. Das wäre am einfachsten, aber brächte ich es fertig? Wie? Mit dem Bogen? Oder würde ich ihn mit dem Jagdmesser durchbohren? Brächte ich es fertig? Oder würde es mir widerstreben? Das fragte ich mich. Aber wie war das mit dem Kreis? Wenn ich mich zu weit vom Fluß und vom Rauschen des Flusses entfernte, würde ich mich verirren. Das war sicher. Und was dann? Ein Kreis? Was für ein Kreis? Wie sollte ich mich orientieren, wenn ich im Wald einen Kreis beschreiben wollte – im Kreis? Ich hatte da keinerlei Erfahrung. Und wenn ich wirklich so weit landeinwärts ging, bis ich mich verirrte? War mein Plan dann schon gescheitert? Aber ich konnte mir vorstellen, daß ich tötete, weil mir nicht bewußt war, daß mir keine andere Wahl blieb. Wenn er nahe am Rand der Schlucht stand, und irgendwann und irgendwo würde er das sicher einmal tun, so würde mir das heraufdringende Geräusch des Wassers helfen, mich ihm bis auf Schußweite zu nähern. Ich wollte ihn genauso töten, wie Lewis den anderen Mann getötet hatte: ich wollte, daß er ahnungslos blieb, bis er den jähen, schrecklichen Schmerz in der Brust spürte und den Pfeil aus ihr hervordringen sah, der aus dem Nichts gekommen war. Oh, dieser Kreis, dachte ich. Und alles im Wald, alle Blätter und sogar der Wind warteten darauf, daß ich ihn beschrieb. Aber das hieße, dem Zufall zuviel zu überlassen. Das würde nicht gut gehen. Ich wußte es, als ich es mir genau überlegte. Das würde nicht gutgehen.
    Also wie nun, Art-Director? Graphischer Berater? Wie ist das Layout? So ist es: ihn von hinten erschießen, irgendwo oben am Rand der Schlucht. Es war anzunehmen, daß er sich bäuchlings hinlegen würde, um auf den Fluß hinunterzuschießen. Es gibt verschiedene Arten, sich zu konzentrieren. Wenn er es auf seine Weise tat, würde ich versuchen, mich ihm bis auf zehn Meter oder noch weniger zu nähern und meinen guten Pfeil

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