Flut: Roman (German Edition)
selbst einen Gefallen und laufen Sie, so schnell Sie können. Und versuchen Sie nicht, per Anhalter zu fahren. Man weiß nie, wer einen mitnimmt.«
»Sie sind ja wahnsinnig«, murmelte Naubach. »Was glauben Sie, wie weit Sie mit einem gestohlenen Hubschrauber kommen?«
Benedikt zuckte mit den Achseln. »Steigen Sie aus. Aber vorher geben Sie mir Ihre Handys – beide!«
Naubach griff mit finsterem Gesicht in die Manteltasche und händigte ihm ein metallicfarbenes Mobiltelefon aus. De Ville tat nach kurzem, störrischem Zögern, das er wahrscheinlich nur seinem Selbstverständnis als gekidnappter Staatsbeamter schuldig war, dasselbe, und Rachel hörte sich zu ihrer eigenen, fassungslosen Überraschung sagen:
»Er hat noch eins.«
Naubach starrte sie nur ungläubig und aus aufgerissenen Augen an, aber De Ville schüttelte auf eine Art den Kopf, als habe er nichts anderes erwartet, aber gehofft, dass es nicht geschehe. Kommentarlos griff er erneut in die Manteltasche und zog das zweite Handy heraus, um es mit einer schwungvollen Bewegung auf den Sitz neben Rachel zu werfen.
»Sie werden mir eine Menge erklären müssen, wenn wir uns wieder sehen, meine Liebe«, sagte er.
Ihm?, dachte Rachel fast hysterisch. Wieso ihm? Sie hatte sich selbst eine Menge zu erklären! Warum um alles in der Welt hatte sie das getan?
Benedikt gab ihr jedoch nicht einmal Zeit, sich über ihr eigenes Verhalten zu wundern, sondern wedelte abermals und noch ungeduldiger mit der erbeuteten Waffe. »Aussteigen!«, befahl er.
De Ville gehorchte, störrisch, aber widerspruchslos, doch Naubach zierte sich noch einen Augenblick. Er erhob sich zwar halb aus seinem Sitz, ließ sich aber dann wieder zurücksinken und starrte Rachel an. »Ich verstehe Sie nicht«, sagte er. »Warum tun Sie das? Ich dachte, wir stehen auf derselben Seite?«
»Wenn es Sie tröstet, Herr Kommissar«, murmelte Rachel, »ich verstehe mich im Moment selbst noch viel weniger.«
»Und wir stehen auf derselben Seite«, fügte Benedikt hinzu. »Mir ist klar, dass Sie mir im Moment nicht glauben können, aber sollten wir uns wiedersehen –«
»Worauf Sie sich verlassen können«, knurrte Naubach.
»– dann werde ich Ihnen alles erklären«, schloss Benedikt ungerührt. »Und jetzt steigen Sie aus, bitte.«
»Und wenn nicht?«, fragte Naubach trotzig. »Erschießen Sie mich dann?«
»Nein«, erwiderte Benedikt. »Ich töte niemanden. Aber ich verspreche Ihnen, dass ich Ihnen ohne zu zögern in die andere Schulter schieße, wenn Sie mich dazu zwingen. Sie werden nicht daran sterben, aber es wird sehr wehtun.« In seiner Stimme war nicht einmal die Spur einer Drohung, aber vielleicht war es gerade das, was Naubach klar machte, wie ernst er seine Worte gemeint hatte.
Er starrte Benedikt noch eine halbe Sekunde lang trotzig an, dann stemmte er sich ächzend in die Höhe und kletterte umständlich aus dem Hubschrauber. Der Boden draußen war so schlüpfrig, dass er um ein Haar gestürzt wäre.
»Sie auch!« Benedikts Pistole richtete sich auf den Piloten. »Raus!«
Anders als Naubach gehorchte der Mann sofort und mit so großer Hast, dass er mehr aus der Maschine fiel als hinauskletterte, und Benedikt ging gebückt nach vorne und nahm auf dem frei gewordenen Pilotensitz Platz.
Rachel warf noch einen Blick nach draußen und sah, dass Naubach und De Ville den noch immer halb bewusstlosen Polizeibeamten in die Mitte genommen hatten und sich hastig von der Maschine entfernten, dann kletterte sie umständlich ebenfalls nach vorne und ließ sich in den freien Sitz neben Benedikt sinken. »Du … du kannst so ein Ding fliegen?«, fragte sie unsicher.
»Nein«, antwortete Benedikt. »Aber so schwer kann das doch eigentlich nicht sein.«
Rachel sagte vorsichtshalber nichts mehr. Sie verdrehte sich halbwegs den Hals, um erneut nach Naubach und den beiden anderen zu sehen. Sie hatten sich mittlerweile gute zwanzig Schritte von der Maschine entfernt und schienen schneller zu werden; der Pilot rannte hinter ihnen her. Aber sie kamen nur sehr langsam von der Stelle. Der wochenlange Regen hatte den Boden derart aufgeweicht, dass nicht einmal mehr genau zu erkennen war, wo der See aufhörte und das Ufer begann. Sie hatten nicht die Spur einer Chance, die Straße zu erreichen, bevor Benedikts Freunde hier waren.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Benedikt, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Sie werden ihnen nichts tun. Sie wollen nur dich … und mich«, fügte er nach kurzem
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