Flut: Roman (German Edition)
ich was tun will?«
»Mit mir kommen.« Er schnitt ihr mit einer entsprechenden Geste das Wort ab, noch bevor sie überhaupt etwas sagen konnte. »Du kannst immer noch zurück.«
»Nach dem, was ich gerade getan habe? Kaum.«
»Wenn wir uns jetzt trennen und du dich stellst, passiert dir gar nichts«, behauptete er. »Aber wenn du bei mir bleibst, werden sie dich genauso jagen wie mich.«
»Du meinst, sie werden hinter uns her sein wie der Teufel hinter der armen Seele?«
Der Vergleich schien Benedikt nicht zu behagen, denn sein Gesicht verdüsterte sich für einen Moment, aber er ging nicht weiter darauf ein, sondern nickte sogar. »So ungefähr. Und nicht nur meine Leute, sondern auch die Polizei.«
»Ich wollte immer schon einmal wissen, wie sich Bonnie und Clyde gefühlt haben«, antwortete Rachel; ein ebenso schwacher wie fehlgeschlagener Versuch, den immer unbehaglicher werdenden Moment durch einen Scherz zu entspannen.
»Ich muss einfach wissen, warum du das getan hast.«
Die ehrliche Antwort wäre die gleiche gewesen, die sie auch Naubach vor ein oder zwei Minuten schon einmal gegeben hatte: Sie wusste es einfach nicht. Sie hatte in dem Moment, in dem sie sich so offen auf Benedikts Seite geschlagen hatte, ganz einfach das Gefühl gehabt, dass es richtig war. Sie hatte jemandem ein Versprechen gegeben. »Tanja.«
»Tanja?« Er runzelte die Stirn. »Deine Freundin.«
»Deine Leute haben sie entführt, oder? Glaubst du, dass Naubach oder dieser De Ville in der Lage sind, ihr zu helfen?«
»Selbstverständlich«, antwortete Benedikt überzeugt. »Aber nicht in der kurzen Zeit, die uns noch bleibt.«
»Siehst du, da hast du deine Antwort. Aber jetzt bist du mir ebenfalls eine Antwort schuldig, okay?«
Er legte den Kopf schräg und sah sie an. Wenn ihn ihre Antwort überraschte, so ließ er es sich zumindest nicht anmerken. »Wenn ich die Frage kenne.«
»Ich will endlich wissen, was hier los ist«, sagte Rachel. »Und fang nicht wieder an mit dieser Weltuntergangsgeschichte und Gottes Strafgericht. Die Wahrheit!«
»Aber es ist die Wahrheit«, sagte er. Er klang irgendwie traurig. Vielleicht auch ein bisschen enttäuscht.
Rachel schloss die Augen und zählte in Gedanken langsam bis fünf. Sie waren wieder am gleichen Punkt angekommen wie vorhin. Vielleicht hatte De Ville ja tatsächlich Recht und Benedikt und die Leute, mit denen er zumindest bis heute Morgen zusammengearbeitet hatte, waren nichts anderes als religiöse Fanatiker. Seit das Wetter angefangen hatte, verrückt zu spielen, waren zahllose Spinner und Eiferer aus ihren Verstecken gekrochen und hatten begonnen, lauthals das bevorstehende Ende der Welt zu verkünden. Die meisten waren harmlos, einige wenige waren nicht ganz so harmlos und eine Hand voll von ihnen waren es ganz und gar nicht. Möglicherweise gehörten Benedikt und seine Freunde ja zu dieser Hand voll.
»Also schön«, sagte sie. »Beweise es.«
»Beweisen?«
»Weißt du, du und deine Freunde, ihr seid nicht die Einzigen, die laut von Gottes Zorn sprechen, der uns gerade auf die Köpfe fällt«, sagte sie. »Die Zeitungen und das Fernsehen sind voll von solchen …«
»Verrückten?«, schlug Benedikt vor.
Rachel zögerte einen Sekundenbruchteil länger, als gut war, ehe sie den Kopf schüttelte und der Bewegung dadurch das meiste von ihrer Glaubwürdigkeit nahm. »Ich hätte ein anderes Wort gewählt«, antwortete sie ausweichend. Sie glaubte das dünner werdende Eis, auf dem sie sich bewegte, unter ihren Füßen knirschen zu hören.
»Das ist in Ordnung«, sagte Benedikt ruhig. »Das Wort spielt keine Rolle. Ich weiß, was du meinst. Ich an deiner Stelle würde vielleicht nicht einmal anders reagieren.« Er seufzte. »Du willst einen Beweis. Aber wie kann ich dir etwas beweisen, das so offensichtlich ist?«
»Ein kleiner Fingerzeig Gottes würde mir schon reichen«, bestätigte Rachel. »Vielleicht ein Blitz, der ein Kreuz in den Boden brennt, oder etwas in dieser Art?« Die Worte taten ihr schon Leid, noch bevor sie sie ganz ausgesprochen hatte. Sie waren nicht nur eindeutig nicht witzig, sie waren geschmacklos.
Benedikt wirkte verletzt, und das mit Recht. »Als die Sonne über dem Land aufgegangen und Lot in Zoar angekommen war, ließ der Herr auf Sodom und Gomorra Schwefel und Feuer regnen, vom Himmel herab. Er vernichtete von Grund auf jene Städte und die ganze Gegend, auch alle Einwohner der Städte und alles, was auf den Feldern wuchs.«
»Genesis
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