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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Beweggründe nun weniger im Klaren war als je zuvor. Und sie selbst? Die Verlockung, sich einfach Naubachs so offensichtlichen Standpunkt zu Eigen zu machen und sich einzureden, dass sie es entweder mit einem Verrückten oder mit einem Fanatiker zu tun hatte (was nur zu oft auf dasselbe hinauslief), war groß, und trotzdem … irgendetwas sagte ihr, dass es nicht so leicht war.
    Die nächsten zehn Minuten verliefen in unangenehmem Schweigen. Der Pilot flog, den Anweisungen ihres Entführers Folge leistend, parallel zur Bundesstraße, mied aber die kleineren Orte und Ansiedlungen, die sich rechts und links davon aufreihten; ein Kurs, den er allerdings nicht mehr allzu lange würde beibehalten können. Sie befanden sich schließlich nicht in der Sahara oder irgendeinem Dritte-Welt-Land, sondern in einem der dichtbesiedeltsten Länder der Welt und mussten fast zwangsläufig bald wieder auf eine größere Gemeinde oder Stadt treffen. Rachel versuchte ihre mangelhaften Geografiekenntnisse zusammenzukratzen, um wenigstens herauszufinden, in welche Richtung sie flogen, kapitulierte aber schon nach wenigen Augenblicken vor dieser eigentlich sehr simplen Aufgabe. Der Unterschied, mit einem Wagen über eine Landstraße zu fahren oder die gleiche Strecke in dreißig Meter Höhe fliegend zurückzulegen, war gewaltig. Viel größer, als sie sich ihn vorgestellt hatte. Sie wusste ungefähr, wo sie waren, aber hatte nicht einmal eine Ahnung davon, in welche Richtung sie flogen, geschweige denn, wo ihr Ziel liegen mochte.
    Aber es war so, wie ihr Entführer gesagt hatte: Der Weg war nicht allzu weit. Nach wenigen Minuten, in denen sie vielleicht dreißig oder vierzig Kilometer zurückgelegt hatten, machte ihr Entführer eine wedelnde Handbewegung, um die Aufmerksamkeit des Piloten auf sich zu ziehen, und sagte: »Fliegen Sie langsamer.«
    Der Pilot gehorchte. Die Maschine verlor an Tempo und gleichzeitig wieder ein wenig an Höhe, wogegen ihr Entführer diesmal nichts einzuwenden hatte. Vor ihnen tauchte ein lang gestrecktes, dunkelgrünes Waldgebiet auf, das an einen flachen See mit sonderbar zerfasert wirkenden Ufern grenzte, und als sie ihn fast überflogen hatten, deutete ihr Entführer nach vorne und sagte: »Landen Sie direkt am Ufer. Dort hinten, bei der kleinen Baumgruppe.«
    Der Helikopter verlor weiter an Höhe und Geschwindigkeit, kam für einen Moment in der Luft beinahe zum Stehen und setzte dann überraschend sanft auf dem kaum fünf Meter breiten Uferstreifen auf. Der Motorenlärm sank von einem ohrenbetäubenden Dröhnen zu einem nur noch lauten Rauschen herab, während sich der Pilot im Sitz herumdrehte und mit einem fragenden Blick an den Kidnapper wandte: »Und jetzt?«
    »Jetzt warten wir«, antwortete der Mann.
    »Und worauf, wenn ich fragen darf?«, knurrte Naubach.
    De Ville warf ihm einen warnenden Blick zu, den er aber gar nicht zur Kenntnis nahm, und Rachel spürte plötzlich die Gefahr, die von Naubach ausging. Verletzt und vermutlich von Schmerzen gepeinigt, von der Situation vollkommen überfordert und so gedemütigt, wie es überhaupt nur ging, war er nicht mehr in der Verfassung, auf die Stimme der Vernunft zu hören oder auch nur vorsichtig zu sein. Er stand kurz davor, etwas ziemlich Unüberlegtes zu tun, etwas, das sie vermutlich alle bedauern würden.
    »Naubach!«, sagte De Ville warnend.
    Naubach ignorierte ihn weiter. »Ich erinnere mich jetzt«, sagte er. »Sie arbeiten in der Südstadt, nicht wahr? Auf dem Revier Martinstraße.« Er krauste die Stirn. »Warten Sie … Storck. Richtig? Polizeiobermeister Storck.«
    Sein Gegenüber starrte ihn ausdruckslos an. Er sagte nichts.
    »Ja, richtig«, fuhr Naubach fort. »Wir haben uns im vergangenen Jahr einmal getroffen, glaube ich. Sie sind doch verheiratet, nicht wahr? Genau, jetzt fällt es mir wieder ein: Ihre Frau war damals schwanger. Was ist es geworden? Ein Junge oder ein Mädchen?«
    »Ein Junge«, antwortete Storck widerwillig. Sein Gesicht war weiter ausdruckslos, aber seine Stimme zitterte ganz leicht.
    Naubach nickte. »Er müsste jetzt ungefähr ein halbes Jahr alt sein. Und Ihre Frau … lassen Sie mich raten: Sie sitzt jetzt zu Hause und wartet vermutlich darauf, dass Sie vom Dienst kommen. Wahrscheinlich hat sie Radio gehört und macht sich ziemliche Sorgen um Sie. Und sie hat ja auch allen Grund dazu, nicht wahr? Was meinen Sie: Ob sie wohl ahnt, dass sie ihren Mann und den Vater ihres Kindes vermutlich nie wieder sehen

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