Flut: Roman (German Edition)
sehen, wie schwer es ihr fiel weiterzusprechen. »Leider kann ich auch darüber hinaus keine guten Neuigkeiten vermelden. Mehrere seismologische Messstationen melden eine zweite, gewaltige Erschütterung, die vor einer knappen Stunde im südasiatischen Raum stattgefunden hat. Genauere Daten liegen uns noch nicht vor, aber das Epizentrum scheint sich in der Nähe von Bangkok zu befinden. Selbstverständlich werden wir Sie sofort unterrichten, sobald wir Näheres wissen. In der Zwischenzeit schalten wir um zu unserem Washingtoner Korrespondenten Ralf Bauer. Ralf, was genau weiß man in Washington über die Katastrophe, die Las Vegas getroffen hat?«
»Bangkok?«, murmelte Rachel.
»Der Herr ließ Schwefel und Feuer regnen, vom Himmel herab«, sagte Benedikt leise. »Genesis neunzehn.«
»Aber das … das ist doch nur eine Legende«, antwortete Rachel tonlos. »Eine Stelle aus einem zweitausend Jahre alten Buch.«
»Es ist eine Prophezeiung«, sagte Benedikt. »Es steht geschrieben, was geschehen wird, nicht, was geschehen ist, versteh doch endlich.« Er schüttelte traurig den Kopf.
»Vielleicht will ich es nicht verstehen«, murmelte Rachel. Weil Gott nicht so grausam sein konnte. Nicht, wenn es ihn gab. Und wenn es ihn gab und er tatsächlich zu einer solchen Grausamkeit imstande war, dann konnte es nicht der Gott sein, an den sie zeit ihres Lebens geglaubt hatte. Es konnte nicht sein, weil es nicht sein durfte! Nein.
Nein!
Auf dem Bildschirm erschien jetzt das Gesicht eines übernächtigt wirkenden Mannes schwer zu bestimmenden Alters, der einen Anzug trug, aber keine Krawatte, und ein weißes Hemd, das aussah, als hätte er eine Woche lang darin geschlafen.
»Ralf, was meldet Washington über die Katastrophe in Nevada?«, erklang die Stimme der Moderatorin aus dem Off.
Der Blick des Journalisten wurde noch betrübter. »Ich fürchte, ich kann Ihnen auch nicht mehr sagen, als Sie ohnehin schon wissen, Marion«, sagte er. »Die ganze Nation ist noch immer schockiert, ja, ich möchte beinahe sagen, paralysiert. Die Nachrichten aus dem Katastrophengebiet erreichen uns nur tröpfchenweise, aber was wir hier hören, ist entsetzlich. Nach allem, was ich bis jetzt sagen kann, wurde Las Vegas praktisch von der Landkarte getilgt. Wie gesagt, uns liegen bisher kaum gesicherte Erkenntnisse vor, aber es scheint doch so zu sein, dass es kaum Überlebende gibt.«
In der unteren rechten Bildschirmecke erschien ein kleinerer Frame, in dem das Gesicht der Nachrichtensprecherin zu sehen war. Falls überhaupt möglich, sah sie noch verstörter aus als bisher.
»Was genau weiß man über die Ursachen der Katastrophe?«, fragte sie.
»Die Antwort darauf ist die gleiche wie auf Ihre erste Frage«, antwortete der Washingtoner Korrespondent. »Praktisch nichts. Im Weißen Haus ist eine Krisensitzung einberufen worden, aber im Moment zumindest dringen keinerlei Nachrichten nach draußen. Dazu ist es wahrscheinlich noch zu früh. Die bisher favorisierte Theorie ist aber wohl die eines Meteoriteneinschlags.«
»Und was ist an der alarmierenden Meldung, dass die amerikanischen Streitkräfte auf DEFCON 2 gegangen seien?«
»Ich fürchte, das entspricht den Tatsachen«, gestand Bauer. »Aber das darf man jetzt auch nicht überbewerten. So dramatisch der Gedanke auch ist, dass die gesamten Streitkräfte der USA in Alarmbereitschaft versetzt worden sind, ist diese Reaktion angesichts dessen, was sich vor einer Stunde in der Wüste von Nevada zugetragen hat, beinahe die einzig vorstellbare. Immerhin wurde eine amerikanische Großstadt von etwas getroffen, das eine Naturgewalt sein kann, ebenso gut aber auch ein Nuklearschlag. Der Oberbefehlshaber der Streitkräfte hat gar keine andere Wahl, als auf Alarmstufe eins zu gehen.«
»Heißt das, dass wir am Vorabend eines nuklearen Krieges stehen?«, fragte die Nachrichtensprecherin.
Bauer lachte nervös. »Gegen wen? Norad hat nicht den geringsten Hinweis auf eine anfliegende Rakete oder einen anderen nicht identifizierbaren Flugkörper gehabt. Und selbst wenn eine feindliche Nation – wobei sich die Frage stellt, welche? – einen solch selbstmörderischen Angriff gewagt hätte, wäre Las Vegas so ziemlich das letzte Ziel gewesen, das Sinn macht. Hinzu kommt der praktisch zeitgleiche Zwischenfall, der sich im südasiatischen Raum ereignet zu haben scheint. Das alles deutet mir doch sehr auf eine Naturkatastrophe hin. Und so schrecklich das Geschehen auch sein mag, glaube ich doch,
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