Flut: Roman (German Edition)
Bildern.
Trotzdem stockte Rachel für einen Moment unwillkürlich im Schritt, als sie sich dem Flughafengebäude näherten. Unter dem verglasten Vordach der Abflughalle standen zwei Polizeibeamte, frierend und in nass glänzende schwarze Regenmäntel gehüllt, aber auch mit einschüchternden Maschinenpistolen ausgerüstet, und zumindest der eine, dessen Gesicht Rachel erkennen konnte, schien jeden, der an ihm vorbeiging, äußerst misstrauisch zu beäugen.
»Keine Sorge«, sagte Benedikt neben ihr. »Sie sind nicht unseretwegen hier.«
»Woher willst du das wissen?«, fragte Rachel nervös. Ganz im Gegensatz zu Benedikt war sie fest davon überzeugt, dass die beiden Beamten explizit ihretwegen hier waren. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal einen Polizisten gesehen hatte, der den Eingang eines Flughafens bewachte.
»Weil wir dann schon tot wären«, sagte Benedikt.
»Wie beruhigend«, maulte Rachel. Aber sie ging trotzdem weiter und bemühte sich sogar einen möglichst unbefangenen Eindruck zu machen; was selbstverständlich dazu führte, dass sie sich auffällig genug benahm, um die Aufmerksamkeit gleich beider Polizisten auf sich zu lenken. Sie sprachen sie zwar nicht an, aber Rachel konnte ihre Blicke fast körperlich spüren, als sie an ihnen vorbeiging.
Warme Luft schlug wie eine erstickende Woge über ihnen zusammen, als sie das Terminal betraten, und Rachel blieb zum zweiten Mal binnen kurzem überrascht stehen. Diesmal allerdings mit mehr Grund.
In der weitläufigen Halle vor ihnen herrschte ein unglaubliches Gedränge. Rachel schätzte, dass der Raum für gut und gerne tausend Menschen ausgelegt war, aber im Moment schienen sich mindestens eine Million Besucher hier drinnen aufzuhalten, als hätte sich ganz Belgien entschlossen, innerhalb der nächsten halben Stunde das Land zu verlassen.
»Was ist denn hier los?«, murmelte sie.
Benedikt machte eine Kopfbewegung zu der riesigen Anzeigetafel unter der Decke. Rachels Blick folgte der Bewegung, aber was sie sah, verwirrte sie eher, statt ihr irgendwelche Antworten zu liefern. Nahezu sämtliche Flüge wurden mittlerweile mit Verspätung angekündigt und hinter einem gut Teil der Fluganzeigen stand bereits das Wort CANCELLED.
»Was ist los?«, fragte sie noch einmal.
»Panik«, antwortete Benedikt. »Die Leute sehen fern, weißt du? Wer immer die Möglichkeit dazu hat, versucht von hier wegzukommen. Das ist gut. Das ist sogar sehr gut.«
»Ach?«, machte Rachel verständnislos. »Was soll daran gut sein, wenn die Hälfte der Flüge ausfällt und die Leute wahrscheinlich bald anfangen, sich um die verbleibenden Tickets zu prügeln?«
»Selbst wenn uns jemand sucht, hat er kaum eine Chance, uns in diesem Gedränge zu finden«, antwortete Benedikt. Er klang ein bisschen genervt. Vielleicht hatte er wieder einmal vergessen, dass sie den letzten Terrorismuskurs auf der Volkshochschule geschwänzt hatte. Und Flucht und Verschleierungstaktiken hatten auch nicht unbedingt zu ihren Lieblingsfächern auf dem Gymnasium gehört.
»Wir brauchen ein Telefon«, sagte Benedikt nachdenklich. »Und Bargeld. Wie hoch ist das Limit deiner Kreditkarte?«
»Bis jetzt hat es immer noch gereicht«, antwortete Rachel spitz. »Allerdings weiß ich nicht, was du vorhast. Falls du ein Flugzeug kaufen willst, muss ich passen.«
Benedikt überging ihre Bemerkung. »Such dir eine Boutique oder irgendeinen Laden und kauf dir andere Kleider«, sagte er. »Irgendetwas Unauffälliges. Am besten zwei Garnituren, die man untereinander kombinieren kann Ich muss in der Zwischenzeit ein paar Telefongespräche führen. Wir treffen uns dort drüben am LTU-Counter.«
»Du tust es schon wieder«, sagte Rachel.
»Was?«
»Mich herumkommandieren. Ich habe mich einverstanden erklärt, dich zu begleiten. Nicht, dir zu gehorchen.«
Benedikt sah einfach nur irritiert aus, ein Gefühl, das Rachel durchaus nachempfinden konnte. Sie verstand selbst nicht genau, warum sie das jetzt gesagt hatte. Benedikts Vorschlag war durchaus vernünftig; und sei es nur, damit sie aus diesen nassen Klamotten herauskam und sich nicht noch wirklich erkältete. Es wäre schon ziemlich blöd, an einer simplen Lungenentzündung zu sterben, wenn man die Möglichkeit hatte, am nächsten Tag bei einem richtigen Weltuntergang abzutreten.
»Am LTU-Schalter«, bestätigte sie.
»Und beeil dich«, fügte Benedikt hinzu. »Die nächste Maschine nach Rom geht in anderthalb Stunden.«
Er schien
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