Flut: Roman (German Edition)
Moment ganz, aber noch bevor Rachel die Hand nach dem Gerät ausstrecken konnte, kehrte es von selbst und in deutlich besserer Qualität zurück. Dafür war anstelle der Stimme jetzt nur noch ein aggressives Zischen zu hören, das in hektischer Regelmäßigkeit an- und abstieg.
»Benedikt! Was bedeutet das?«
Er schwieg, aber es war im Grunde auch nicht nötig, dass er irgendetwas sagte. Was sie sah, war genug. Unendlich viel mehr, als sie sehen wollte.
Trotz der noch immer mangelhaften Qualität des Bildes konnte sie erkennen, dass der Helikopter in gut hundert Meter Höhe über den Randbezirken einer zerstörten Stadt schwebte. Wenn es sich dabei tatsächlich um Las Vegas handelte, dann erkannte sie es nicht wieder. Das Stadtzentrum mit den riesigen Luxusbauten der Hotels und Spielcasinos war einfach verschwunden. Wo es sein sollte, gähnte ein riesiger, unregelmäßig geformter Krater, über dem eine gewaltige Rauchwolke hing. Seine Größe war schwer zu schätzen, aber da er praktisch das gesamte Stadtzentrum verschlungen hatte, musste sie mindestens zwei Kilometer betragen, wenn nicht mehr. Die Häuser in einem mindestens doppelt so großen Umkreis waren wie von der Hand eines zornigen Riesen platt gewalzt und praktisch alles, was sich außerhalb dieses Ringes absoluter Verheerung befand, stand in Flammen. Selbst die Wüste schien an zahllosen Stellen zu brennen. Es war Nacht, aber Hunderte großer und buchstäblich Millionen kleinerer Brände tauchten den Himmel über der kargen Steinwüste Nevadas in gleißendes, mehr als taghelles Licht.
»Was ist das?«, flüsterte Rachel. »Bitte, Benedikt, was … was ist dort passiert? Was?«
»Als die Sonne über dem Land aufgegangen und Lot in Zoar angekommen war, ließ der Herr auf Sodom und Gomorra Schwefel und Feuer regnen, vom Himmel herab. Er vernichtete von Grund auf jene Städte und die ganze Gegend, auch alle Einwohner der Städte und alles, was auf den Feldern wuchs«, antwortete Benedikt. Es waren die gleichen Worte, die er schon einmal gesagt hatte, heute Morgen, auf dem aufgegebenen Schrottplatz. Sie hatte über diese Worte gelacht, sie als so albern und dumm abgetan, wie sie waren! Jetzt erfüllten sie sie mit blankem Entsetzen.
Sie widersprach trotzdem, auch wenn sie es im Grunde nur aus reiner Gewohnheit tat – und vielleicht, um dem Wahnsinn Einhalt zu gebieten, dem verstandverzehrenden Entsetzen, dem sie zweifellos zum Opfer fallen würde, hätte sie auch nur die bloße Möglichkeit in Betracht gezogen, dass er die Wahrheit sagte. »Bitte, Benedikt«, sagte sie mit leiser, bebender Stimme. »Jetzt ist nicht der Moment für so etwas. Das war Las Vegas! Eine Millionenstadt! Kein biblischer Sündenpfuhl!«
Noch während sie die Worte aussprach, wurde ihr klar, wie lächerlich sie klingen mussten. Benedikt antwortete auch nicht direkt darauf, sondern sah sie nur lange Sekunden traurig an. »Du wolltest einen Beweis, oder?«
»Aber doch nicht so!«
Erst nachdem sie die Worte ausgesprochen hatte, wurde ihr klar, was sie da eigentlich gesagt hatte. Sie lachte. Schrill. Hysterisch. Es klang eher wie ein Schrei.
Wie um ihr zu antworten, wurde die Stimme des Kommentators aus dem fernen Amerika für einen Moment noch einmal verständlich: »... bisher noch keine gesicherten Erkenntnisse vor, was nun wirklich geschehen ist. Augenzeugen sprechen von einem gewaltigen Feuerhall, der vom Himmel gestürzt sein soll, was die These unterstützt, dass es sich tatsächlich um einen Meteoriten gehandelt haben könnte, der Amerikas Sündenbabel getroffen hat. Allerdings gibt es auch andere Theorien, so zum Beispiel die eines terroristischen Anschlages bisher ungekannter Brutalität oder des heimtückischen Angriffs einer feindlichen Macht. Bisher unbestätigten Meldungen zufolge soll die amerikanische Armee auf DEFCON 2 gegangen sein, was nichts anderes bedeutet, als dass …«
Der Ton brach ab und eine Sekunde später erlosch auch das Bild und machte nach einer weiteren Sekunde heftigen Schneegestöbers wieder dem des Fernsehstudios und einer Nachrichtensprecherin Platz, deren Gesicht selbst auf dem verzerrten Bild grau vor Entsetzen war.
»Ja, wie Sie selbst gesehen haben, ist unsere Leitung wieder zusammengebrochen, meine Damen und Herren. Wir bemühen uns selbstverständlich, die Verbindung wiederherzustellen, müssen Sie aber in der Zwischenzeit um ein wenig Geduld bitten.« Sie zögerte und man musste nicht unbedingt ein guter Menschenkenner sein, um zu
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