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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einer Garage. Und das ließ nur einen Schluss zu: Wer immer mit diesen Fahrzeugen gekommen war, war entweder schon wieder weggefahren oder hatte sich die Mühe gemacht, die Wagen hinter das Gasthaus zu fahren, so dass sie von der Straße aus nicht sofort sichtbar waren. War man einmal darauf aufmerksam geworden, schien dieser Schluss auf der Hand zu liegen. Dennoch kam sie nicht umhin, Benedikt zu bewundern, dass ihm dieses Detail sofort ins Auge gefallen war. Aber sie weigerte sich einfach, den Gedanken konsequent zu Ende zu führen. Manchmal half es, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen, selbst wenn man sie ganz genau kannte.
    »Wir müssen weiter hinauf in die Berge«, sagte sie. »Eine Berghütte, anderthalb Kilometer von hier.«
    »Zu Fuß?«, fragte Benedikt.
    Rachel nickte. Es gab zwar einen schmalen Weg durch den Wald, der zu Uschis Hütte hinaufführte, aber der war schon unter normalen Umständen kaum zu befahren; nach dem wochenlangen Regen wäre selbst ein Geländewagen auf den ersten Metern hoffnungslos stecken geblieben.
    »Du glaubst, dass deine Leute hier sind?«
    Benedikt stand auf. »Welche Richtung?«
    »Aber sie können unmöglich wissen, wo wir sind!«
    »Ich verstehe es auch nicht«, gestand Benedikt. Er lächelte knapp und nervös. »Vielleicht bin ich auch übervorsichtig. Aber ich möchte kein Risiko eingehen. Und uns bleibt wirklich nicht mehr viel Zeit. Also – wohin?«
    Rachel machte eine Kopfbewegung zu den Häusern auf der anderen Straßenseite hin. »Der Weg beginnt dort drüben. Im Wald hinter dem Gasthof.«
    Benedikt machte ein besorgtes Gesicht, aber auf eine Art, als habe er nichts anderes erwartet. »Dann müssen wir uns etwas anderes ausdenken«, sagte er. »Wer weiß alles, dass deine Freundin dort oben lebt?«
    Die ehrliche Antwort war: jeder. Uschi war vor fünf Jahren vor der Welt geflohen, vor dem Leben und den ihrer Meinung nach falschen Idealen, die ihr die mitteleuropäische moderne Kultur aufzwängen wollte, nicht vor den Menschen oder vor dem Gesetz. Die vollkommen ehrliche Antwort wäre sogar gewesen, dass Uschi zumindest hier in Castellino so etwas wie eine Berühmtheit war.
    »Das habe ich mir gedacht«, murmelte Benedikt düster, obwohl sie gar nichts gesagt hatte. »Dann bleibt uns noch weniger Zeit.« Er blickte angestrengt zu den Häusern hinüber und sah für zwei oder drei Sekunden beinahe hilflos aus. Aber er war natürlich niemand, der vor Schwierigkeiten kapitulierte.
    »Wir müssen über die Straße«, sagte er. »Aber ohne gesehen zu werden.« Er deutete nach links, eine Entscheidung, die Rachel im ersten Moment völlig unsinnig vorkam, denn die Straße führte in dieser Richtung mindestens einen Kilometer geradeaus und es gab nicht die geringste Chance, sie ungesehen zu überqueren, während sie in der anderen Richtung schon nach wenigen Dutzend Schritten einen scharfen Knick machte, der sie zumindest vor neugierigen Blicken aus dem Dorf schützen würde. Aber sie widersprach nicht. Benedikt war der Indiana-Jones-Verschnitt hier, nicht sie. Er musste wissen, was er tat. Jedenfalls hoffte sie es.
    Sie entfernten sich gute hundertfünfzig Meter weit von der kleinen Ansammlung weiß gestrichener Häuser, bevor Benedikt ihr erneut mit Gesten zu verstehen gab, dass sie anhalten und sich nicht rühren sollte. Er selbst schlich auf die schon bekannte (aber gleichwohl immer noch albern aussehende) Art zum Waldrand vor und blickte konzentriert in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Rachel ignorierte seine Aufforderung und gesellte sich zu ihm, was er zwar mit einem raschen ärgerlichen Blick quittierte, ansonsten aber hinnahm. Sie fragte sich vergebens, wonach Benedikt überhaupt Ausschau hielt. Sie waren so weit von den Häusern entfernt, dass die schon wieder halbwegs hinter den grauen Regenschleiern zu verschwinden begannen. Hinter nahezu allen Fenstern brannte Licht, aber auch das waren nur verwaschene, blassgelbe Flecken, viel zu weit entfernt und nicht annähernd leuchtstark genug, um auch nur die Bewegung eines Schattens zu enthüllen. Vollkommen unmöglich, in dieser grauen Suppe irgendetwas zu identifizieren, das deutlich kleiner als ein Vierzigtonner war.
    Dann wurde ihr klar, dass es ganz genau das war, wovon sich Benedikt überzeugt hatte. Wenn sie dort drüben bei den Häusern nichts sahen, dann waren sie umgekehrt auch für jeden unsichtbar, der hinter dem Fenster stand und die Straße beobachtete. Fast, als hätte er ihr

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