Flut: Roman (German Edition)
Telefons erklärte ihr, dass der Teilnehmer am anderen Ende aufgelegt hatte. Das war wirklich sonderbar. Die Beunruhigung war wieder da und diesmal war sie von einer anderen Qualität. Natürlich gab es tausend Erklärungen für diesen Anruf, aber irgendetwas sagte ihr, dass keine davon die richtige war. Sie hängte ein, nahm den Hörer fast in der gleichen Bewegung wieder hoch und drückte die Tastenkombination, die ihr der freundliche Mitarbeiter der Telekom gezeigt hatte. Auf dem Display sollte jetzt die Nummer des Anrufers erscheinen, aber das kleine graue Feld blieb leer.
Fast eine Minute lang blieb sie einfach reglos stehen, blickte den Telefonhörer in ihrer Hand an und fragte sich, ob sie dabei war, paranoid zu werden, oder vielleicht doch besser die Polizei anrief und von ihrer gerade erlebten seltsamen Begegnung erzählte.
Nein. Wenn es auf der ganzen Welt überhaupt Menschen gab, die sie im Moment noch weniger sehen wollte als Journalisten, dann waren es Polizeibeamte.
Sie hängte ein, ging mit schnellen Schritten in die Küche und sah wieder nach draußen. Der Regen hatte ein wenig nachgelassen. Sie konnte die Straße jetzt wieder deutlicher erkennen und sie konnte sehen, dass der Wagen nicht mehr da war. Aber diese Erkenntnis beruhigte sie keineswegs, ganz im Gegenteil. Es wäre ihr fast lieber gewesen, er hätte noch dort gestanden, denn dann hätte sie sich wenigstens einreden können, dass er nicht zugleich auf der Straße stehen und ihr Haus beobachten und von einer Telefonzelle aus anrufen konnte.
Rachel ließ die Gardine zurückfallen, ging mit schnellen Schritten zur Haustür und schob den Schlüssel ins Schloss. Sie kam sich selbst fast ein bisschen albern dabei vor, aber es änderte nichts daran, dass sie sich sicherer fühlte, nachdem sie ihn zweimal herumgedreht und zu allem Überfluss auch noch einmal die Klinke gedrückt hatte, um sich davon zu überzeugen, dass sich die Tür nun wirklich nicht mehr öffnen ließ.
Nicht, dass diese Sicherheit mehr als ein frommer Wunsch gewesen wäre. Das Haus war ein ganz normales Haus, keine Festung. Wer wirklich hereinwollte, der kam auch herein. Aber er würde Lärm dabei machen und das würde ihr Gelegenheit geben davonzulaufen. Erst als sie diesen Gedanken zu Ende formuliert hatte, wurde ihr klar, dass er gut zu ihrer eigenen Frage von gerade passte: Sie begann offensichtlich ein gerüttelt Maß an Verfolgungswahn zu entwickeln.
Aber wer konnte ihr das nach der zurückliegenden Woche übel nehmen?
Sie ging wieder ins Wohnzimmer, trank einen großen Schluck Kaffee, diesmal mit der eindeutigen Absicht, davon wach zu werden, dann begab sie sich nach oben ins Schlafzimmer und zog sich an.
Oder wollte es.
Auch hier war es dunkel. Die Jalousien waren heruntergelassen und das winzige Nachtlicht, das sie eingeschaltet hatte, reichte kaum aus, um die Schatten zu vertreiben. Dennoch sah sie, dass etwas nicht stimmte, kaum dass sie den Kleiderschrank geöffnet hatte.
Eine Sekunde lang blieb sie mit klopfendem Herzen dort stehen und blickte auf das Durcheinander von Schatten und vage vertrauten Umrissen vor sich, an dem irgendetwas verändert war, ohne dass sie sagen konnte, was und warum. Dann ging sie zum Fenster, zog die Rollos hoch und drehte sich auf dem Absatz herum.
Es gab keinen Zweifel. Jemand hatte ihren Schrank durchwühlt. Alles war ordentlich. Die Kleider und Jacken hingen säuberlich nebeneinander auf ihren Bügeln. Die Wäsche war pedantisch aufgestapelt und ausgerichtet. Alles schien so, wie sie es hinterlassen hatte, aber es war nicht so. Sie hätte nicht den Finger darauf legen können, aber der Unterschied war da.
Jemand war hier gewesen. Jemand, der hier nichts zu suchen hatte, denn außer ihr hatte niemand auf der ganzen Welt einen Schlüssel zu diesem Haus. Aber jemand war hier gewesen, hatte ihren Kleiderschrank und vermutlich auch alles andere durchwühlt und sich hinterher große Mühe gegeben, seine Spuren zu verwischen, es aber nicht völlig geschafft.
Rachels Herz begann zu klopfen. Instinktiv wich sie einen halben Schritt zurück, bis ihr Rücken gegen die kalte Fensterscheibe stieß, und durchsuchte mit Blicken jeden Winkel des Raumes. Das Zimmer war sehr klein und bis auf den wuchtigen Schrank, der die gesamte gegenüberliegende Wand einnahm, und das schmale Messingbett leer, und es gab keinen Platz, um sich zu verstecken.
Trotzdem hatte sie für einen Moment das unheimliche Gefühl, beobachtet zu werden. Angestarrt von
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