Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Darkov oder seinen Sohn zu richten, aber Rachel entging auch nicht, dass er den Sicherungshebel umlegte und mit einigen schnellen Schritten rückwärts in eine Position gelangte, in der er auf die beiden schießen konnte, ohne Johannes Petrus oder einen der anderen hier drinnen im Raum zu gefährden. Torben musste es ebenfalls bemerken, aber vielleicht waren seine Vernunft und sein Selbsterhaltungstrieb größer als seine Sanftmut. Möglicherweise traute er Darkov doch nicht weit genug, um sein Leben nur auf dessen Wort hin zu riskieren, vielleicht war er aber auch einfach des Diskutierens und Streitens müde. Er maß den Mann nur mit einem leicht tadelnden Blick und wandte sich dann zu Darkov um.
    Dieser hatte mittlerweile die Arme hinter dem Rücken hervorgeholt und tat das, was wahrscheinlich jeder in seiner Situation getan hätte: Er massierte sich abwechselnd die Handgelenke, die von den eng angelegten Handschellen bereits wund gescheuert waren. Sein Blick glitt dabei unentwegt durch den Raum, blieb aber nirgendwo lange hängen. Dennoch ließ sich Rachel davon nicht täuschen. Auch wenn er nicht den Fehler beging, irgendjemanden oder irgendetwas länger als einen Augenblick anzusehen, registrierte er doch gewissenhaft jede Kleinigkeit und erwog vermutlich, wie er sie zu seinem Vorteil nutzen konnte. Sie hatte immer noch das Gefühl, einem Raubtier gegenüberzustehen, das in einen neuen Käfig gebracht worden war und sofort die Gegebenheiten nach einer eventuellen Fluchtmöglichkeit absuchte. Benedikt hingegen hatte gar nicht reagiert. Auch er hatte die Hände nach vorne genommen, aber er rührte sich nicht, sondern stand in der gleichen Haltung da, fast als wäre er immer noch gefesselt, und in seinen Augen war immer noch diese schreckliche Leere.
    Und plötzlich musste sie an das denken, was Torben ihnen gerade erzählt hatte. Sosehr sie sich immer noch weigerte, diese uralte Geschichte als wahr anzuerkennen – wenn es stimmte, dann war Benedikt tatsächlich ihr Bruder, aber zugleich ihr schlimmster Feind.
    Sie weigerte sich, dies zu glauben. So wenig, wie sie der neue Messias war, war er der Antichrist. Das war lächerlich.
    »Es ist lange her«, begann Johannes Petrus, nachdem allen im Raum klar geworden war, dass Darkov ihm nicht den Gefallen tun würde, das Gespräch von sich aus zu eröffnen. »Fast ein Menschenleben.«
    »Ja«, seufzte Darkov. »Und es war schneller vorbei, als ich gehofft hatte.« Er runzelte die Stirn. »Warum sind wir hier? Haben Sie uns kommen lassen, um Ihren Triumph zu genießen?«
    »Sie sollten mich besser kennen, Pjotr«, sagte Torben leise.
    »Vielleicht tue ich das ja«, antwortete Darkov. Er machte einen halben Schritt, streckte die Hand aus und erstarrte, als der Mann hinter ihm die Pistole hob und auf ihn anlegte. »Ich wollte mich nur setzen«, sagte er mit einem spöttischen Lächeln. »Unsere Unterkunft war leider nicht besonders bequem.«
    Johannes Petrus machte eine knappe Geste und der Soldat ließ die Pistole widerwillig sinken, blieb aber weiter in angespannter Haltung. Auch die beiden Posten neben der Tür hatten ihre Gewehre zwar nicht angelegt, aber immerhin von den Schultern genommen. Es waren die gleichen klobig wirkenden Betäubungswaffen, wie sie schon bei ihrem Sturm auf die Berghütte zum Einsatz gekommen waren, aber Rachel zweifelte nicht daran, dass ihre Geschosse auf eine Distanz von anderthalb oder zwei Metern ebenso tödlich sein konnten wie richtige Kugeln.
    »Setzen Sie sich«, bat Torben. Mit einer Geste in Benedikts Richtung fügte er hinzu: »Und Sie auch.«
    »Wie überaus großzügig«, spottete Darkov, zog sich aber einen Stuhl zurück und ließ sich mit einem erschöpften Seufzer darauf nieder. Benedikt reagierte im ersten Moment gar nicht, tat es seinem Adoptivvater aber dann gleich. Seine Bewegungen wirkten hölzern, einstudiert und beinahe wie ferngelenkt. Was war nur mit ihm passiert?
    »Um Ihre Frage zu beantworten, Pjotr«, begann Torben, nachdem einige weitere Sekunden in unbehaglichem Schweigen verstrichen waren, »hatte ich ehrlich gesagt auf Ihre Einsicht gehofft. Es geht zu Ende. Sie wissen es so gut wie ich. Ganz gleich, wer von uns beiden am Ende der Sieger sein wird, die Welt wird in wenigen Stunden nicht mehr so sein, wie sie war. Nie mehr.«
    »O ja, ich verstehe«, sagte Darkov böse. »Sie glauben, ich krieche zu Kreuze und bitte Sie um die Absolution?« Er schüttelte ärgerlich den Kopf. »Kaum!«
    »Und ich könnte sie

Weitere Kostenlose Bücher