Flut: Roman (German Edition)
zum Italienischen übergewechselt, damit nicht alle hier verstanden, was er zu sagen hatte. Dennoch fuhr er gehorsam und jetzt wieder auf Deutsch fort: »Es geht um den Helikopter.«
»Was ist damit?«, fragte Torben. »Unseren Gästen ist doch nichts zugestoßen?«
»Nein, nein«, versicherte De Ville hastig und mit einem nervösen Seitenblick auf Frank, der allerhöchstens dazu angetan war, Rachels Besorgnis neue Nahrung zu geben. »Sie sind unversehrt und auf dem Weg hierher. Aber der Helikopter.« Er zögerte eine Sekunde. »Er ist weg.«
»Weg? Was soll das heißen?«
De Ville hob unglücklich die Schultern. »Der Pilot hat die Passagiere auf der anderen Seite des Flugfeldes abgesetzt und ist sofort wieder gestartet«, sagte er. »Er antwortet nicht auf unsere Funksprüche. Ich fürchte, er hat die Maschine gestohlen.«
Torben schüttelte den Kopf, aber es wirkte nicht ärgerlich oder auch nur missbilligend. »Der Mann hat Familie, nicht wahr?«
»Frau und zwei Kinder«, bestätigte De Ville.
»Dann wird er versuchen, sie mit dem Helikopter in Sicherheit zu bringen«, sagte Torben.
»Vermutlich«, sagte De Ville. »Aber ich werde dafür sorgen, dass –«
»Sie werden nichts tun, Hauptmann«, unterbrach ihn Torben. »Wollen Sie einem Mann verübeln, dass er das Leben seiner Familie retten will?«
»Und das Ihre dafür opfert?« De Ville nickte heftig. »Das will ich ihm sehr wohl verübeln.«
»Weil Sie glauben, mein Leben sei mehr wert als das eines Hubschrauberpiloten und seiner Familie?« Torben lächelte müde. »War ich ein so schlechter Lehrmeister?« Er hob die Hand, als De Ville antworten wollte. »Wir werden einen anderen Weg finden, um Castel Gandolfo zu erreichen. Besorgen Sie einen Wagen.«
»Wie Sie befehlen, Heiliger Vater«, sagte De Ville steif.
Er sagte befehlen, dachte Rachel, nicht wünschen, und sie war sicher, dass er dieses Wort bewusst gewählt hatte und dass es ungewöhnlich war. Torben hatte es auch gehört und er wirkte verletzt und traurig, aber er sagte nichts mehr, sondern machte nur eine auffordernde Handbewegung, die ein bisschen zögerlich wirkte, wahrscheinlich weil er sich krampfhaft darum bemühte, eben nicht befehlend zu wirken. De Ville zögerte auch eine Sekunde zu lange, um seine wahren Gefühle zu verbergen, drehte sich dann mit einem Ruck herum und verließ den Raum. Torben sah ihm stirnrunzelnd nach und für eine Sekunde schien ein neuer, noch tieferer Schatten über sein Gesicht zu huschen, dann zwang er sich zu einem leichten Lächeln und wandte sich an den Mann in der albernen Uniform, der neben der Tür stand, so still und reglos, dass Rachel ihn mittlerweile fast schon vergessen hatte.
»Holen Sie die Gefangenen«, bat er.
»Heiliger Vater?« Der Mann wirkte regelrecht erschrocken.
»Pjotr Darkov und seinen Sohn Benedikt«, sagte Johannes Petrus geduldig. »Bitte holen Sie sie her. Ich möchte mit ihnen reden.«
Der Mann nickte und verließ wortlos das Zimmer, ohne zu zögern wie De Ville vor ihm, aber mit dem gleichen Ausdruck von Missbilligung im Gesicht.
Torben seufzte. »Es gab eine Zeit, da war das Wort des Papstes Gesetz«, sagte er. »Aber die scheint wohl endgültig vorbei zu sein.«
»Gott sei Dank«, sagte Uschi.
Rachel empfand diese Bemerkung als unpassend, aber Torben drehte sich nur halb zu ihr herum, maß sie mit einem langen, prüfenden Blick, der fast provozierend wohlwollend wirkte, und schloss dann für eine endlose Sekunde die Augen. Ein tiefes, irgendwie … schmerzerfülltes Seufzen drang aus seiner Brust, so leise, dass vermutlich nur Rachel, die ihm am nächsten war, es überhaupt hörte. Sie verstand durchaus, warum sich Uschi so unmöglich benahm, aber sie hätte trotzdem viel darum gegeben, wenn sie damit aufgehört hätte.
Es dauerte gut fünf Minuten, bis der Mann mit den beiden Gefangenen zurückkam, dabei war Rachel eigentlich sicher, dass sie im gleichen Gebäude untergebracht waren. Johannes Petrus ließ sich seine Ungeduld nicht anmerken, aber er sah doch ein bisschen zu oft zur Tür, um weiterhin gelassen und unbeteiligt zu wirken, und die Nervosität der beiden anderen Männer war nun nicht mehr zu übersehen. Giradeli schien es unmöglich zu sein, still auf einer Stelle zu stehen, und auch sein Begleiter, dessen Namen Rachel bisher so wenig kannte wie seine Funktion, wurde immer fahriger. Er hatte bisher kein Wort gesagt und wich ihrem Blick ebenso aus wie dem aller anderen hier, aber es war nicht zu
Weitere Kostenlose Bücher