Flut: Roman (German Edition)
Arzt gefragt. Vor einer Woche. Ich habe gesagt, sie soll es mir … nicht verraten, aber … sie hat es doch getan.« Er sank wieder nach vorne. Seine Schultern glitten nach unten und die Leere kehrte wieder in seine Augen zurück.
»Sie wird gleich hier sein«, sagte Johannes Petrus. »Machen Sie sich keine Sorgen. Die Gefahr ist vorüber. Es ist jetzt vorbei.«
Er bekam keine Antwort, vermutlich weil Frank ihn nicht einmal verstanden hatte. Er war wieder in tiefes Brüten versunken; vielleicht auch in einen Zustand, der schlimmer war. Johannes Petrus wartete einen Moment vergeblich auf irgendeine Reaktion und wandte sich dann mit einer entsprechenden Geste an De Ville.
»Bitte fragen Sie noch einmal nach, wo der Helikopter bleibt, Hauptmann. Müsste er nicht längst hier sein?«
De Ville zog sein Handy wieder aus der Jacke und klappte es auf, ging aber aus dem Zimmer, bevor er telefonierte. Rachel verstand nicht ganz, warum. Sie griff nach Franks Hand und drückte sie flüchtig, aber das war wohl zu viel des Guten. Sie empfand noch immer ein leichtes Mitleid mit Frank, aber mehr auch nicht, und es würde auch nicht mehr werden, ganz egal, wie angestrengt sie es sich auch wünschte. Ein Jahrzehnt Aversion und Feindseligkeit ließ sich nicht einfach so vergessen. Wahrscheinlich musste mehr passieren als der Weltuntergang, bevor sie so etwas wie Sympathie für Frank in sich entdeckte. Sie zog die Hand zurück und fühlte sich miserabel dabei.
»Eine Frage haben Sie mir noch nicht beantwortet, Heiliger Vater«, sagte sie.
»Nicht Heiliger Vater«, sagte Johannes Petrus. »Den Anspruch auf diesen Titel habe ich schon vor langer Zeit verwirkt. Schon lange, bevor ich ihn überhaupt bekam.« Er lächelte traurig. »Nenn mich … Torben.«
»Torben? Nicht Johannes? Oder Petrus?«
»Torben«, beharrte er. »Das ist der Name, auf den ich getauft wurde. Der Name, den ich trug, als wir uns das erste Mal begegnet sind. Wie lautet die Frage, die du mir stellen willst?«
»Wenn alles vorbei ist«, begann Rachel. »Wenn … wenn es wirklich so weit kommt, wie Sie sagen, und … und wenn wir es überleben … Was erwarten Sie dann von mir? Was soll ich tun?«
»Tun?« Torben schien nicht zu verstehen, was sie meinte.
Rachel nahm all ihren Mut zusammen, um weitersprechen zu können. »Selbst wenn ich glauben würde, dass ausgerechnet ich dazu ausersehen bin, die Welt zu retten«, sagte sie. »Wie denn? Soll ich ein Wunder wirken und das Wasser teilen? Oder wird mir Gott die Kraft geben, die Toten wieder zu erwecken – wenigstens die, die es verdient haben?«
Die Worte taten ihr bereits Leid, noch bevor sie sie völlig ausgesprochen hatte, und sie las in Torbens Augen, dass ihr Hohn ihn wirklich verletzte. Aber sie sagte kein Wort, um sich zu entschuldigen, obwohl sie es eigentlich wollte.
»Ich weiß es nicht«, antwortete er.
»Sie wissen es nicht?«, vergewisserte sich Uschi. »Steht in Ihren wunderbaren Prophezeiungen nichts darüber, oder haben Sie sie nur noch nicht weit genug entschlüsselt?«
»Sie enden mit dem heutigen Tag«, sagte Torben. »Wer immer sie niedergeschrieben hat, über die Zeit danach hat er nichts gesagt.« Er sah wieder Rachel an. »Aber ich glaube, Sie werden wissen, was zu tun ist, wenn der Moment kommt.«
Das war eine Möglichkeit, dachte Rachel. Von Torbens Standpunkt aus betrachtet sogar eine sehr nahe liegende und wahrscheinlich die einzige, die er akzeptieren konnte und an die er sich mit verzweifelter Kraft klammerte.
Aber es gab noch eine zweite.
Vielleicht sagten die Prophezeiungen nichts über die Zukunft, weil es keine Zukunft mehr gab.
Kapitel 16
Es dauerte erstaunlich lange (man hätte auch sagen können: beunruhigend lange, aber diesen Gedanken ließ Rachel nicht zu), bis De Ville zurückkam, und sie musste nur einen einzigen Blick in sein Gesicht werfen, um zu wissen, dass er schlechte Neuigkeiten brachte.
»Wo ist Tanja?«, fragte sie alarmiert.
»Es ist alles in Ordnung«, sagte De Ville rasch, nur um dann in Torbens Richtung zu sehen und mit veränderter Stimme fortzufahren: »Ich fürchte, wir haben ein Problem, Heiliger Vater.« Er fügte einen Satz auf Italienisch hinzu, aber Johannes Petrus unterbrach ihn schon nach wenigen Worten und sagte:
»Lassen Sie uns in einer Sprache sprechen, die jeder hier versteht. Alles andere wäre unhöflich.«
»Wie Ihr wünscht, Heiliger Vater«, sagte De Ville. Es klang nicht begeistert. Offensichtlich war er ganz bewusst
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