Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
entfernt war. Aber das schien ihr im Moment eher von Vorteil. Sie blickte sichernd nach rechts und links. Es war nichts zu sehen, aber sie registrierte erschrocken, dass der Kombi nicht besonders weit gefahren war, sondern vielleicht dreißig Meter entfernt am Straßenrand parkte – ziemlich genau dort, wo sie auf die Straße hinaustreten musste, wenn sie das Grundstück durch das hintere Gartentor verließ –, und wenn sie überhaupt noch gezögert hätte, für einen Moment in die Rolle eines weiblichen James Bond zu schlüpfen und vor imaginären russischen Agenten davonzulaufen, so hätte sie dieser Anblick eines Besseren belehrt. Statt den Garten zu durchqueren und das Grundstück auf der Rückseite zu verlassen, wie sie es ursprünglich vorgehabt hatte, lief sie zum zweiten Mal binnen weniger Minuten zur Garage und trat hinein.
    Sie hatte das Tor offen gelassen. Wind und Regen hatten den winzigen Raum längst erobert und der flache Sportwagen bot trotz des hochgeklappten Verdecks nur wenig Deckung. Sie duckte sich hinter den Kofferraum, spähte einen Moment angestrengt an der Karosserie vorbei nach draußen und war fast überrascht, dort keine Gestalt in einem regennassen schwarzen Mantel auftauchen zu sehen, die versuchte, durch das einladend offen stehende Garagentor ins Haus einzudringen. Dafür registrierte sie eine Bewegung im Rückspiegel.
    Rachel fuhr erschrocken herum. Sie hatte die Tür hinter sich offen gelassen und konnte einen schmalen Ausschnitt des verwilderten Gartens überblicken. Der schwarze Regenmantel ließ die Gestalt, die vor der Hecke aufgetaucht war, fast unsichtbar werden, aber eben nur fast. Rachel verspürte eine sonderbare Mischung aus Schrecken, Ungläubigkeit und Verwirrung. Trotz allem war ihr die Situation bisher so absurd erschienen, dass sie sie nicht wirklich als wahr akzeptiert hatte. Ein Spiel, das sie mit sich selbst und einigen Unbekannten spielte, die gar keine Ahnung von ihrer Rolle hatten. Aber nun war es plötzlich Wahrheit geworden! Wer immer diese Männer waren, einer von ihnen hatte das Grundstück durch das Gartentor betreten und stand nun im Schutz der Koniferenhecke da und beobachtete das Haus. Nicht von außen. Er hatte das Grundstück betreten und aus einem Akt bloßer Neugier und Unhöflichkeit etwas anderes gemacht; etwas, das sie tief erschreckte.
    In diesem Moment hörte sie ein Geräusch aus dem Haus. Es war sehr leise. Wäre es im Haus nicht absolut still und wären nicht alle ihre Sinne bis zum Zerreißen angespannt gewesen, hätte sie es vermutlich gar nicht zur Kenntnis genommen, aber so hörte sie es: ein gedämpftes Poltern, als falle etwas zu Boden oder als sei jemand im Halbdunkel des Flures mit dem Knie gegen dieselbe Kante der Kommode gestoßen, gegen die sie selbst seit zwanzig Jahren regelmäßig lief.
    Ihr Herz begann zu klopfen. Ganz plötzlich wurde ihr klar, wie verwundbar sie war. Es gab keinerlei Versteck hier in der Garage. Sobald jemand hereinkam, gleich durch welche Tür, musste er sie unweigerlich sehen. Es erschien ihr fast wie ein kleines Wunder, dass der Mann hinten im Garten sie nicht längst erblickt hatte oder sein Kamerad draußen nicht schon hereingekommen war. Binnen einer einzigen Sekunde erwog und verwarf sie ein halbes Dutzend Ideen. Sie konnte unter den Wagen kriechen, sie konnte sich in den Wagen setzen, sie konnte versuchen, sich im Kofferraum zu verstecken, aber eine Idee war so albern wie die andere. Das Einzige, was sie genau wusste, war, dass sie hier nicht bleiben konnte.
    Vorsichtig, um nicht durch eine plötzliche Bewegung die Aufmerksamkeit des Beobachters hinten im Garten zu wecken, schob sie sich seitlich an dem roten Honda vorbei, richtete sich unendlich behutsam auf und sah hinaus. Die Straße vor dem Haus war jetzt leer. Der Mann, der gerade zum Fenster hinaufgesehen hatte, befand sich nun in ihrer Diele, vermutlich bereits im Wohnzimmer und mit großer Wahrscheinlichkeit hatte er bereits die offene Terrassentür entdeckt und die richtigen Schlüsse daraus gezogen. Sie hatte keine Wahl.
    Rachel hatte den zweiten Mann, der aus dem Wagen gestiegen war, keine Sekunde lang vergessen, doch wenn sie noch länger hier herumsaß, dann würde sie ganz bestimmt erfahren, was diese Fremden von ihr wollten. Ohne noch weiter zu zögern, stürmte sie mit gesenkten Schultern aus der Garage und in den Regen hinaus.
    Das Feld auf der gegenüberliegenden Straßenseite bot keinerlei Deckung, aber es waren nur wenige Schritte

Weitere Kostenlose Bücher