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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dazu gewesen, hätte sie sicher ein gebührendes Maß an Schadenfreude empfunden, während sie dabei zusah, wie er mit hilflos rudernden Armen nach vorne kippte und mit dem Gesicht voran in den Schlamm fiel.
    Unverzüglich versuchte er sich in die Höhe zu stemmen, aber seine Hände fanden in dem aufgeweichten Boden, der ungefähr die Konsistenz von Schmierseife hatte, keinen rechten Halt. Er arbeitete sich gut dreißig oder vierzig Zentimeter weit hoch, dann schlitterte er hilflos wieder nach vorne und pflügte ein Stück weit mit dem Gesicht durch den Morast, ehe er wenigstens auf den Gedanken kam, den Kopf zur Seite zu drehen. Fluchend spuckte er Wasser und dünnen braunen Schlamm aus. Der Anblick war so komisch, dass Rachel trotz allem laut auflachen musste, was sie allerdings nicht daran hinderte, weiter so schnell zu rennen, wie sie nur konnte; auch wenn es nicht annähernd so schnell war, wie sie wollte. Sie hatte mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen wie ihr Verfolger. Mehr als drei Wochen Dauerregen hatten aus dem Feld einen Sumpf gemacht, in den sie nicht nur bei jedem Schritt bis über die Knöchel einsank, sondern aus dem sie sich auch nur mit immer größerer Mühe befreien konnte. Schon nach wenigen Schritten musste sie deutlich mehr Energie darauf verwenden, nicht das Gleichgewicht zu verlieren und zu stürzen, als auf das Laufen selbst. Trotzdem kam sie von der Stelle, was für ihren Verfolger nicht unbedingt galt: Rachel blickte immer wieder über die Schulter zurück und sah, dass er zwei- oder dreimal vergeblich versuchte, auf die Beine zu kommen, um die Verfolgung fortzusetzen, und schließlich aufgab. Breitbeinig und mit seitlich ausgestreckten Armen, um das Gleichgewicht zu halten, tapste er zurück zu seinem Wagen, der mit laufendem Motor und offener Tür am Straßenrand stand; ein zottiger, brauner Bär, aus dessen Fell Schlamm tropfte. Von den anderen Männern war immer noch nichts zu sehen. Mit etwas Glück durchsuchten sie immer noch das leer stehende Haus und wunderten sich, wo seine Bewohnerin eigentlich geblieben war.
    Rachel verscheuchte den Gedanken und konzentrierte sich lieber darauf, einen Fuß nach dem anderen aus dem Morast zu ziehen und weiterzulaufen, ohne ebenfalls auf die Nase zu fallen. Sie hatte noch nicht einmal ein Viertel des Weges zum Wald hin zurückgelegt und ihre Beine fühlten sich jetzt schon an wie mit Blei gefüllt, jeder Schritt kostete sie mehr Kraft als der davor, und sie war nicht einmal mehr sicher, das Stück bis zum Waldrand hin überhaupt zu schaffen. Aber selbst wenn – was dann? Die Kerle würden nicht aufhören, sie zu verfolgen, sondern den Wald Meter für Meter durchkämmen und so groß war er nun auch wieder nicht. Das –
    Rachel begriff den Fehler in ihren Gedanken gerade noch rechtzeitig genug, um sich nicht selbst noch weiter in Panik zu reden. Sie war ja schließlich nicht im Wilden Westen, sondern im Deutschland des einundzwanzigsten Jahrhunderts, am Rand einer Großstadt. Und Sonntagmorgen oder nicht: Auf der anderen Straßenseite standen drei Dutzend Häuser. Irgendjemand musste mitbekommen, was hier vor sich ging, und wahrscheinlich war die Polizei bereits alarmiert und auf dem Weg hierher.
    Ihre Füße fanden plötzlich festeren Halt. Der braune Morast vor ihr unterschied sich in nichts von dem, durch den sie bisher gestolpert war, aber sie musste einen der Feldwege erreicht haben, die den Acker in ein Karree unterschiedlich großer Rechtecke zerschnitten. Ihre nackten Füße versanken jetzt nur noch wenige Zentimeter tief im Schlamm, ehe sie auf betonharten Widerstand trafen, den selbst drei Wochen ununterbrochener Regen nicht hatten aufweichen können. Rachel schwenkte instinktiv nach links und beschleunigte ihre Schritte. Im Gegensatz zu dem mühseligen Sich-vorwärts-Quälen bisher schien der Waldrand nun geradewegs auf sie zuzufliegen. Im Rennen sah sie wieder über die Schulter zurück. Der Volvo hatte gewendet und unmittelbar vor ihrem Haus wieder angehalten und gerade in diesem Moment stürzte eine dunkel gekleidete Gestalt aus der Garage, aus der sie selbst vorhin gekommen war. Eine zweite stürmte vom Ende der Stichstraße heran und gestikulierte dabei wild mit beiden Armen in der Luft herum. Die Kerle gaben sich tatsächlich nicht die geringste Mühe, unauffällig zu sein. Rachel sah wieder nach vorne und konzentrierte sich darauf, den Waldrand zu erreichen, der zwar schnell näher kam, sich aber zugleich auf fast

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