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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zugeführt und benutzte ihn, um Darkovs Arme auf dem Rücken zusammenzubinden. Darkov sträubte sich nach Kräften und Benedikt versetzte ihm einen unsanften Stoß zwischen die Schulterblätter. »Hör auf dich zu wehren«, verlangte er. »Ich will dir nicht wehtun.«
    »Nicht wehtun?« Darkovs Stimme wurde schrill, aber er gehorchte und gab Benedikt keinen Anlass, noch grober zu werden. »Du kannst mir nicht mehr antun, als du bereits getan hast.«
    Benedikt antwortete gar nichts darauf, sondern überzeugte sich pedantisch davon, dass seine improvisierte Fessel auch hielt, bevor er seinen Adoptivvater unsanft vor sich her und nur einen Schritt von Rachel entfernt ins Gras stieß. Nachdem er Rachel mit einem entsprechenden Blick aufgefordert hatte, auf ihn Acht zu geben, ging er zu seinem verletzten Kameraden zurück, grub einen Moment in dessen Jackentasche und zog ein Paar Handschellen hervor, mit denen er dem Bewusstlosen die Hände auf dem Rücken fesselte. Nachdem er ihm auch noch die Pistole aus dem Gürtel – und ein Messer mit einer zwanzig Zentimeter langen Klinge aus dem linken Stiefel – gezogen und beides in hohem Bogen weggeworfen hatte, kehrte er zurück.
    »Ich hatte befürchtet, dass du so etwas tust«, sagte Darkov in einem Ton, der zwischen Vorwurf und blankem Hass schwankte. »Ich hatte nur gehofft, ich würde mich irren.«
    »Bitte schweig«, sagte Benedikt. Er klang nicht drohend oder ärgerlich, sondern einfach nur müde. Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich zu Rachel um. »Es tut mir Leid«, murmelte er.
    »Was?«, fragte Rachel. »Dass du dich im letzten Moment doch noch richtig entschieden hast?«
    »Ich weiß nicht, ob ich das habe«, murmelte Benedikt. Er wirkte nicht erleichtert. Selbst die eiserne Entschlossenheit in seinem Blick begann zu bröckeln, aber nicht auf eine Art, als beginne er an der Richtigkeit seines Tuns zu zweifeln. Vielmehr begriff Rachel, dass ihn das, was er soeben getan hatte, jedes bisschen Kraft und Überwindung gekostet hatte, das er aufbringen konnte, und dass er in diesem Moment wohl so etwas wie einen inneren Zusammenbruch erlitt. Sie hoffte, dass sie nicht herausfinden musste, wie weit er ging.
    »Du weißt nicht, was du tust«, murmelte Darkov.
    Benedikt ignorierte ihn. »Wie geht es dir?«, fragte er.
    Rachel deutete ein Schulterzucken an. »Ich bin nicht verletzt, wenn du das meinst.«
    Das hatte er nicht gemeint, aber er verbesserte sie nicht, sondern sah sie nur noch einen Moment lang traurig an und ging dann zu Tanja hinüber, um sich neben ihr in die Hocke sinken zu lassen. Rachel fiel auf, dass sein linker Ärmel blutgetränkt und der Stoff schwer vor Nässe war. Die Wunde, die er sich selbst zugefügt hatte, musste wieder aufgebrochen sein. Benedikt trug sein Kainszeichen auf dem Arm, nicht auf der Stirn.
    »Wie fühlen Sie sich?«, fragte er.
    Tanja antwortete nicht, sondern sah ihn nur aus angsterfüllten großen Augen an und wich ein Stück vor ihm zurück, aber Frank reckte kampflustig das Kinn vor und funkelte Benedikt an.
    »Verschwinden Sie!«, sagte er herausfordernd. »Lassen Sie sie in Ruhe, Sie Mistkerl!«
    Benedikt sah ihn nur an, und obwohl er kein einziges Wort sagte, brach Franks vorgetäuschter Mut zusammen wie ein Kartenhaus. Er hielt Benedikts Blick noch genau eine Sekunde lang stand, dann drehte er mit einem Ruck den Kopf weg und starrte wieder zu Boden. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, aber die Bewegung schien seine Hilflosigkeit nur noch zu unterstreichen.
    »Sie müssen keine Angst mehr haben«, sagte Benedikt sanft und wieder an Tanja gewandt. »Ich weiß, was man Ihnen angetan hat, aber nun ist alles vorbei. Niemand wird Ihnen jetzt noch etwas tun. Aber wir können nicht hier bleiben. Glauben Sie, dass Sie laufen können?«
    Tanja sah ihn eine kleine Ewigkeit lang unschlüssig an, dann nickte sie krampfhaft. In ihren Augen war etwas wie mühsam unterdrückte Panik und Rachel war sicher, dass sie seinem Blick nicht aus Mut standhielt, sondern weil sie es im Gegenteil nicht wagte wegzusehen.
    »Ich kann Sie tragen, wenn Sie das möchten«, sagte Benedikt.
    Tanja schüttelte fast erschrocken den Kopf. »Es … es wird schon gehen«, sagte sie.
    »Gut.« Benedikt wirkte erleichtert. Trotz ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft konnte Tanja kaum mehr als siebzig oder fünfundsiebzig Kilogramm wiegen, aber auch Benedikt war sichtlich am Ende seiner Kräfte.
    »Wagen Sie es nicht, sie anzurühren, Sie Mörder!«,

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