Flut: Roman (German Edition)
sagte Frank. »Sonst …«
»Sonst?«, unterbrach ihn Rachel. »Möchtest du sie vielleicht tragen?«
»Ich sagte doch, es geht.« Tanja stemmte sich umständlich in die Höhe, um ihre Behauptung unter Beweis zu stellen, und wäre um ein Haar gestürzt; als Benedikt und Frank jedoch gleichzeitig die Hände ausstreckten, um sie zu stützen, schüttelte sie den Kopf und machte einen trotzigen Schritt zur Seite, mit dem sie ihr Gleichgewicht wieder fand.
»Wieso haben Sie es eigentlich so eilig, wenn wir doch angeblich nicht mehr in Gefahr sind?«, fragte Frank mürrisch. »Haben Sie Angst, dass doch noch ein paar von Ihren Freunden auftauchen könnten, um Ihnen die Quittung für Ihren Verrat zu präsentieren?«
»Ich bin nicht sicher«, gestand Benedikt unumwunden. »Ich schätze, dass die meisten tot sind, aber ich weiß, dass Darkov all seine Männer hierher beordert hat.«
»Wozu?«, fragte De Ville misstrauisch. »Er konnte doch gar nicht wissen –«
»Es war nicht geplant, dass wir als Ihre Gefangenen nach Rom zurückkehren«, sagte Benedikt. »Aber es konnte nur hier enden.« Er schnitt De Ville mit einer Geste das Wort ab, als der etwas erwidern wollte, und deutete mit der anderen in den Himmel hinauf. »Bitte! Uns bleibt wirklich nicht mehr viel Zeit.«
De Villes Blick folgte seiner Geste und sein Gesicht nahm einen besorgten Ausdruck an. Auch Rachel sah ganz automatisch nach oben. Sie erschrak, als sie sah, dass der Todesstern abermals angewachsen war. Der Meteor selbst war kaum mehr als ein grell leuchtender Punkt, nicht einmal so groß wie der Vollmond, aber sein Halo aus kränklichem, bleichem Licht bedeckte mittlerweile zwei Drittel des Firmamentes und sandte dünne, gierige Finger in alle Richtungen.
»Wir brauchen einen Wagen«, sagte De Ville. »Zu Fuß schaffen wir es niemals rechtzeitig. Es sind noch gute zehn Kilometer bis Castel Gandolfo, wenn nicht mehr.«
Zehn Kilometer? Rachel hätte am liebsten laut aufgelacht. Sie war nicht einmal sicher, ob sie noch in der Lage waren, zehn Meter weit zu laufen, und De Ville hatte Recht: Sie brauchten unbedingt einen Wagen.
Frank deutete feindselig auf Darkov. »Was machen wir mit dem da?«
»Wir lassen ihn hier, damit seine Leute ihn finden und erneut Jagd auf uns machen können«, antwortete De Ville sarkastisch. »Was hatten Sie denn gedacht?«
»Der Kerl ist nur eine Belastung«, murrte Frank.
»Dann sollten wir ihn vielleicht erschießen«, schlug De Ville vor. Er tat so, als würde er Frank seine Pistole hinhalten. »Wollen Sie es tun?«
Frank starrte die Waffe eine halbe Sekunde lang an, dann drehte er sich mit einem trotzigen Ruck weg. De Ville schüttelte den Kopf, ließ die Pistole wieder im Halfter verschwinden und zog stattdessen ein Verbandspäckchen aus einer der zahllosen Taschen seiner Kampfanzugjacke. Nachdem er es mit den Zähnen aufgerissen hatte, versuchte er, einige Sekunden lang vergeblich, es unter seine Jacke und über die Schusswunde in seinem Arm zu schieben. Rachel sah ihm ein paar Augenblicke lang wortlos zu, ehe sie seine Hand beiseite schob und ihm half. Oder es wenigstens versuchte. Sie war nicht besonders gut als Krankenschwester. Sie verstand herzlich wenig von Schusswunden, aber es gelang ihr zumindest, die Blutung ein wenig zu dämmen. Falls es morgen früh noch so etwas wie einen Arzt gab, würde De Ville unbedingt seine Hilfe brauchen, wenn er sich keine lebensgefährliche Infektion einhandeln oder sogar den Arm verlieren wollte, aber bis dahin würde er wenigstens nicht verbluten.
»Danke«, sagte De Ville, als sie fertig war und mit einem unglückseligen Lächeln zurücktrat. Ihre Hände waren voller Blut.
»Ich hoffe, ich habe Ihnen nicht zu wehgetan«, sagte sie.
De Ville machte eine wegwerfende Geste. »Ich habe schon Schlimmeres ausgehalten«, behauptete er. Rachel glaubte ihm, aber sie fragte sich zugleich auch, in welche Situation ein Mann in De Villes Position wohl geraten konnte, um dabei angeschossen oder auf andere Weise schwer verletzt zu werden; schließlich war die Schweizergarde nicht die CIA.
Sie verscheuchte den Gedanken erschrocken. Sie sollte froh sein, dass es De Ville gab. Wenn er nicht wäre, was er war, dann wäre sie möglicherweise schon nicht mehr am Leben.
Sie wollte sich herumdrehen und gehen, aber De Ville hielt sie noch einmal zurück. »Warten Sie.«
Rachel sah ihn fragend an. De Ville blieb eine Sekunde lang unschlüssig stehen und sah zu Benedikt hin, der sich ein paar
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