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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schließlich auf der anderen Seite des Zimmers angekommen war und gegen die Wand stieß. Die schwarzen Augen des Ungetüms fixierten sie, tasteten jeden Quadratzentimeter ihres Körpers ab und schienen direkt auf den Grund ihrer Seele zu blicken, als suche es nach etwas, das sich zu zerstören lohnte oder viel besser noch zu stehlen, dann drehte es sich langsam halb herum und näherte sich Tanja.
    Sie hatte aufgehört zu schreien. Die Geburt ihres Kindes stand nun unmittelbar bevor, war eigentlich bereits in vollem Gange, aber sie schrie nicht mehr, sie atmete nicht mehr hektisch, sondern starrte das gehörnte Ding an, das langsam auf sie zukam und die Krallen ausstreckte, um das ungeborene Leben aus ihr herauszureißen.
    »Nein!«, kreischte Rachel. Halb wahnsinnig vor Angst und Entsetzen, stieß sie sich von der Wand ab und taumelte zwischen Tanja und das Ungeheuer. Es hätte den Dämon nur eine winzige Bewegung gekostet, sie zu töten, aber er stieß sie einfach zu Boden und beugte sich weiter zu Tanja herab. Rachel prallte gegen die Wand, fand mit einer verzweifelten Anstrengung ihr Gleichgewicht wieder und stürzte dann doch, als sie über den bewusstlosen Frank stolperte. Sofort hatte sie sich wieder herumgedreht und wollte aufspringen, krümmte sich aber in der nächsten Sekunde vor Schmerz, als sich etwas Hartes und Unnachgiebiges in ihren Leib bohrte. Keuchend sah sie an sich herab und erkannte, dass es die Pistole war, die De Ville ihr vorhin gegeben hatte. Sie hatte sie vollkommen vergessen. Obwohl sie wusste, wie sinnlos es war, riss sie die Waffe unter dem Gürtel hervor und zog den Hahn zurück, ehe sie in die Höhe sprang.
    Die Kreatur stand breitbeinig über Tanja. Ihre rasiermesserscharfen Krallen fuhren fast liebkosend über ihren Körper, zerschnitten mit der Präzision von Skalpellen ihre Kleider, ohne die Haut darunter zu ritzen, und betasteten ihren Leib. Aber sie stießen immer noch nicht zu. Es hätte für diesen Koloss keine Anstrengung bedeutet, Tanja zu durchbohren und das Kind zu töten, das sie im Leib trug, aber er tat es nicht …
    ... weil er es nicht konnte.
    Er durfte es nicht. Noch nicht.
    »Halt es zurück!«, schrie Rachel. »Tanja! Er kann es nicht töten, bevor es geboren worden ist!«
    Tanja wimmerte. Rachel war nicht sicher, dass sie ihre Worte verstanden hatte, und selbst wenn, was sollte sie tun? Das Kind kam, jetzt. Da sie sich niemals wirklich mit diesem Thema beschäftigt hatte, wusste sie auch nicht, ob eine bewusste Anstrengung tatsächlich eine Geburt hinauszögern konnte, aber selbst wenn – wie lange? Zwei Sekunden? Fünf? Eine Minute? Der Dämon strich immer noch mit seinen grässlichen Krallen über Tanjas Haut, ohne sie auch nur zu ritzen, und in seinen Augen loderte eine böse Vorfreude. Rachel wusste jetzt, dass sie sich getäuscht hatte. Dieses Ding war durchaus in der Lage, Gefühle zu empfinden. Es labte sich an der Qual, die es seinen Opfern zufügte.
    Sie hob die Pistole mit beiden Händen und trat dicht genug an das Ungeheuer heran, um die Mündung direkt auf seine Stirn zu pressen. Der Dämon hob den Kopf und sah sie an. Rachels Finger krümmte sich um den Abzug, sie spürte den Widerstand – aber sie drückte nicht ab. Es war so sinnlos. Keine von Menschenhand geschaffene Waffe konnte diesem Geschöpf etwas anhaben. Das gestohlene Fleisch war längst zu etwas anderem geworden, etwas, das nicht den Gesetzen der Natur und schon gar nicht denen der Menschen gehorchte und das nicht mit einer Pistole, nicht mit Feuer oder Schwert zu verwunden war. Rachel krümmte sich innerlich, als sie den brodelnden Odem von Bosheit und Hass spürte, den das Geschöpf verströmte. Der Blick der grundlosen schwarzen Augen bohrte sich in den ihren und sie spürte, dass sich das Ding nun auch an ihrer Qual labte, dass es das Gefühl von verzweifelter Hilflosigkeit und Panik, das sie erfüllte, genoss, wie ein Mensch einen Schluck kostbaren Wein oder den Kuss eines Liebenden.
    Und dann … flackerte etwas in diesen Augen auf. Es ging ganz schnell. Vielleicht nur für den Bruchteil einer Sekunde, so kurz, dass sie es eigentlich gar nicht hätte sehen können, aber für einen unendlich kurzen Moment sah sie etwas Vertrautes in diesen Augen, etwas, das sie kannte und von dem sie geglaubt hatte, es nie wieder sehen zu können.
    Die menschliche Seele war immer noch in diesem Ding. Eingefangen, eingekerkert in dem Etwas, zu dem ihr Körper mutiert war, aber immer noch am Leben,

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