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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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immer noch da. Und sie wurde stärker.
    In den alles verzehrenden Hass im Blick des Dämons mischte sich etwas anderes. Überraschung. Vielleicht sogar ein sachter Schrecken, aber wenn er von Begreifen begleitet wurde, so kam es zu spät. Das, was einmal Uschi gewesen war, war plötzlich wieder da, ergriff Besitz von den schwarzen Höllenaugen und dem, was dahinter lauerte, und plötzlich schimmerten ihre vertrauten Züge durch die insektengleiche Fratze des Monstrums. Für weniger als einen Atemzug gehörte der Körper wieder dem, dem er einst gegeben worden war, und auch wenn Rachel vollkommen sicher war, dass dieses Ding vorher nicht in der Lage gewesen war, mit einer menschlichen Stimme zu sprechen, so hörte sie Uschis Stimme doch ganz deutlich in ihren Gedanken.
    Jetzt!
    Sie schoss. Der Rückschlag der Waffe war so stark, dass ihre Arme nach oben gerissen wurden und die Pistole in hohem Bogen davonflog, während sie selbst haltlos nach hinten taumelte, und der Kopf des gehörnten Dämons wurde wie von einem Hammerschlag getroffen nach hinten gerissen. Die Kugel durchschlug seinen Schädel und stanzte ein sauberes Loch in die Wand hinter ihm und die Bestie taumelte mit weit ausgebreiteten Flügeln zurück, prallte ebenfalls gegen die Wand und sank langsam daran zu Boden.
    Etwas … verging. Rachel glaubte etwas wie einen lautlosen, von unsäglicher Wut und Enttäuschung erfüllten Schrei direkt in ihrem Kopf zu hören und der Körper des Dämons begann sich abermals zu verwandeln. Es war ihr unmöglich zu sagen, wie. Sie erkannte es nicht einmal, während sie direkt hinsah, und hätte sie es erkannt, dann wäre das, was ihre Menschlichkeit ausmachte, an diesem Begreifen zerschellt. Der uralte Widersacher zog sich zurück. Er versuchte weiterhin, sich mit all seiner unglaublichen Kraft an das Hier und Jetzt zu klammern, aber es war wohl so, wie Rachel glaubte: Nicht einmal seine Macht reichte aus, Leben aus dem Nichts entstehen zu lassen. Dazu war nur eine Macht im Universum fähig. Ihre Kugel hatte die Seele ausgelöscht, der dieser Körper einst gehörte und die all ihre verbliebene Lebenskraft zu einer letzten, verzweifelten Anstrengung aufgeboten hatte: der Anstrengung, wieder weit genug Herr ihres Körpers zu sein, um verwundbar zu werden.
    Rachel schloss die Augen und wandte sich ab. Ein Satz aus einem alten Film fiel ihr ein, den sie vor vielen, vielen Jahren einmal gehört und längst vergessen geglaubt hatte: Rod Steiger als Napoleon, der zu seinem Sohn sagte: »Nach einer verlorenen Schlacht ist der schrecklichste Anblick, den man sich denken kann, der einer gewonnenen Schlacht.« Irgendein Satz, den irgendein unterbezahlter, namenloser Dialogschreiber hingeschrieben hatte, vermutlich aus keinem anderen Grund als dem, dass er in diesem Moment gut klang und dass Gewalt und Töten in einem Hollywoodfilm nicht über die Maßen verherrlicht werden durften; auch wenn sie im Endeffekt deren Essenz waren. Ob er wohl jemals begriffen hatte, wie viel schreckliche Wahrheit dieser Satz enthielt?
    Warum musste ihr Sieg so bitter sein und so entsetzlich teuer erkauft?
    Tanja begann hinter ihr wieder zu stöhnen und der Laut erinnerte sie daran, dass das Leben weiterging, ohne Rücksicht auf die Toten und erst recht ohne Rücksicht auf die Lebenden, und dass da noch etwas war, das sie zu erledigen hatte. Auch wenn es ihr plötzlich sinnloser denn je erschien. Der Todesstern kam immer noch näher. Obwohl sie sich jetzt auf einer völlig anderen Position im Zimmer befand, konnte sie ihn durch das Fenster hindurch noch immer deutlich sehen; als sorge ein düsterer Zauber dafür, dass man ihn immer und von jedem Ort aus erkennen und sich daran erinnern konnte, wie nah das Ende war.
    Es gab im Moment nicht viel, was sie für Tanja tun konnte, also versuchte sie, sie wenigstens in eine einigermaßen bequeme Position zu hieven, aber nicht einmal das wollte ihr wirklich gelingen. Das Bett stand schräg auf nur noch einem Bein, so dass sie immer wieder herunterzurutschen drohte.
    »Warte einen Moment.« Benedikt hatte sich auf der anderen Seite des Zimmers aufgerichtet und öffnete und schloss ein paar Mal rasch hintereinander die Fäuste, wie um auf diese Weise die Blutzirkulation in seinen Gliedern wieder in Gang zu bringen. Eine Menge von diesem Blut zirkulierte im Moment allerdings außerhalb seines Körpers. Wie Darkov war auch er nicht schwer verletzt, hatte aber eine Anzahl übler Schrammen und Schnitte, die höllisch

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