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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Gespräch so lange fort, bis sie es als gewonnen verbuchen konnte.
    »Außerdem sind es im Grunde doch nur große Hunde – und ziemlich hässliche dazu.« Tanja drehte sich auf der Stelle herum und stützte sich mit den Ellbogen auf der Mauerkrone auf; ein Anblick, der Rachel aus einem ihr selbst nicht verständlichen Grund Unbehagen bereitete.
    »Ich finde sie nicht hässlich«, sagte sie, ein wenig hilflos.
    Tanja hob die Schultern, sah sie eine Sekunde lang an und dachte sichtlich darüber nach, ob es Zweck hatte, das Gespräch fortzusetzen, kam dann aber wohl zu dem Schluss, dass dem nicht so sei. Sie hob erneut die Schultern und machte eine Kopfbewegung zum Rest der Klasse hin, der sich noch immer vor dem Paviangehege amüsierte. »Du hast Recht, es lohnt sich nicht. Sie kommen sowieso gleich zurück. Hey … wie findest du eigentlich Markus?«
    Rachel hatte im ersten Moment Mühe, dem Gedankensprung zu folgen. Obwohl sie seit drei Monaten einen nicht geringen Teil ihres Lebens bildeten, hatte sie sich noch immer nicht alle Namen ihrer Mitschüler gemerkt; zumindest nicht in Verbindung mit den dazugehörigen Gesichtern. Das galt allerdings nicht für Markus. Der schwarzhaarige Junge mit der kräftigen Figur und dem sommersprossigen Gesicht saß in der Klasse zwei Bankreihen vor ihnen – ein Privileg, das er sich gleich am dritten Schultag verdient hatte, weil er ständig störte, dazwischensprach und praktisch nie Ruhe gab, außer wenn ihre Lehrerin darauf wartete, dass er sich meldete; und zu sagen, dass Tanja ein Auge auf ihn geworfen hätte, wäre die Untertreibung des Jahres gewesen. Rachel mochte ihn nicht besonders.
    Sie hob die Schultern. »Hmm.«
    Obwohl das keine Antwort war, schon gar nicht die, die Tanja sich wohl erhofft hatte, wusste sie doch sehr wohl, was sie davon zu halten hatte. »Du bist ja nur eifersüchtig«, sagte sie.
    »Eifersüchtig?« Rachel überlegte einen Moment, ob das vielleicht stimmte. Ein bisschen eifersüchtig war sie vermutlich sogar – sie kannte Tanja jetzt seit drei Monaten und dankte Gott jeden Abend vor dem Schlafengehen in einem stummen Gebet dafür, ihr eine so gute Freundin geschickt zu haben, und sie betrachtete tatsächlich jeden, der auch nur in den Verdacht geriet, sich möglicherweise in diese Freundschaft hineindrängen zu können, mit äußerstem Misstrauen. Aber das war nicht der wirkliche Grund. Der eigentliche Grund war der, dass sie einfach wusste, dass Markus nicht gut für Tanja war.
    »Bin ich nicht«, antwortete sie mit gerade genug Verspätung, um der Behauptung jede Glaubwürdigkeit zu nehmen. »Ich mag ihn nicht, aber das ist auch schon alles.«
    »Er ist ein ziemlicher Dummkopf«, pflichtete ihr Tanja zu Rachels nicht geringer Überraschung bei. »Aber er sieht gut aus.«
    Spätestens jetzt war der Moment gekommen, wo Rachel für sich zu dem Schluss kam, dass es besser war, das Gespräch nicht fortzusetzen. Sie war sogar drauf und dran, ihrer Freundin den Vorschlag zu machen, nun doch zu den anderen zu gehen, um sich am Anblick eines nackten Affenhinterns zu ergötzen oder das wunderschöne Gefühl zu genießen, eine halb verfaulte Bananenschale ins Gesicht zu bekommen, aber in diesem Moment sah sie, wie die Klassenlehrerin in die Hände klatschte und die Rasselbande mit hoch erhobener Stimme zu sich rief. Wenigstens ging es nun bald zurück.
    Neben ihr wartete Tanja darauf, dass sie antwortete und ihr einen Vorwand gab, ihr weiter einzureden, dass sie nur eifersüchtig war, und ihr schlechtes Gewissen damit zu schüren, und Rachel drehte sich ganz bewusst zur Seite und ließ ihren Blick ohne bestimmtes Ziel in die Runde schweifen. Ein kleiner, in fleckigem Waldgrün gespritzter Elektrokarren näherte sich ihnen fast lautlos. Die Ladefläche, die gerade mal die Größe zweier aneinander gestellter Einkaufswagen hatte, war hoffnungslos mit Kisten und verschiedenfarbigen Plastikwäschekörben überladen, sodass der Fahrer selbst im Schritttempo sichtlich Mühe hatte, das Fahrzeug in der Spur zu halten. Rachel betrachtete ihn eine Sekunde lang interessiert und sah dann wieder zur Klasse hin, die keinerlei Anstalten machte, eine ordentliche Aufstellung einzunehmen, sondern fröhlich weiter durcheinander lief und schrie, behielt das kleine Transportwägelchen aber aus den Augenwinkeln im Blick. Irgendetwas daran stimmte nicht. Sie …
    Ein grässlicher Schmerz, der sie in der Leibesmitte traf und nahezu in zwei Hälften zu zerreißen schien. Das

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