Flut: Roman (German Edition)
Sie sagte nichts, aber sie nickte.
»Du darfst niemandem was davon erzählen«, sagte Rachel. »Weder jetzt noch später. Das bleibt unser Geheimnis. Versprochen?«
»Aber –«
»Versprochen?«, beharrte Rachel.
Tanja zögerte noch einen winzigen Moment, dann nickte sie.
Und sie sollte ihr Wort halten. Nicht einer der zwei Dutzend Schüler – und auch die beiden Lehrerinnen nicht – hatten wirklich gesehen, was geschehen war, und so erfuhr nie jemand von der Heldentat, die Rachel an diesem Tat vollbracht hatte und die ihre Freundschaft wohl endgültig besiegelte.
Kapitel 7
Der Helikopter setzte kaum zwei Minuten nach dem Start schon wieder auf. Die Strecke, für die De Villes Wagen fünf Minuten gebraucht hatte, war für ihn nicht mehr als ein kleiner Hüpfer, kaum der Mühe wert, die Motoren anzulassen und abzuheben, und sie wären noch schneller am Ziel gewesen, wäre der Pilot nicht zweimal über der Straße gekreist, um einen geeigneten Landeplatz zu suchen.
Die schmale Landstraße bot einen Anblick wie aus einem amerikanischen Actionfilm. Naubachs gestohlener Mercedes stand schräg wie ein gestrandetes Boot am Straßenrand und war mit zwei Rädern in den Graben gerutscht – augenscheinlich hatte Benedikt doch nicht ganz so widerstandslos kapituliert, wie De Ville behauptet hatte – und sowohl vor als auch hinter ihm blockierten jeweils drei oder vier quer stehende Streifenwagen mit zuckenden Blaulichtern die Straße. Nicht weit entfernt stand ein Rettungswagen des Roten Kreuzes, den die Beamten wohl vorsichtshalber bereits mitgebracht hatten, und obwohl Rachel von ihrem Sitz aus keinen besonders guten Ausblick hatte, sah sie doch, dass sich auf der Straße und dem angrenzenden Feld mindestens dreißig oder vierzig Polizeibeamte aufhielten; die meisten davon mit Maschinenpistolen bewaffnet, einige sogar mit Helmen und großen, durchsichtigen Plastikschilden. Für ihren Geschmack ein bisschen zu viel Aufwand, um einen einzelnen Mann zu stellen. Sie warf De Ville einen fragenden Blick zu, den er aber ignorierte, vielleicht auch gar nicht bemerkte.
»Landen Sie direkt auf der Straße«, gab ihr Entführer dem Piloten Anweisung. »Dort vorne, vor den Streifenwagen.«
»Das ist viel zu gefähr...«, protestierte der Pilot, aber ihr Entführer schnitt ihm mit einer herrischen Geste das Wort ab.
»Tun Sie, was ich sage!«, befahl er. »Sofort!«
Der Mann zögerte noch einmal einen Sekundenbruchteil, dann nickte De Ville fast unmerklich und die Maschine senkte sich in einer engen Spirale auf die Straße hinab. Rachel sah, wie etliche Polizisten hastig zur Seite sprangen oder sich hinter ihre Wagen duckten, und sie konnte sich lebhaft vorstellen, was jetzt in den Männern vorging.
»Das ist nicht gerade unauffällig«, sagte De Ville.
»Aber es passt zu Ihnen, oder?«, erwiderte der junge Polizeibeamte.
»Was versprechen Sie sich davon?«, wollte De Ville wissen. »Ich meine: Selbst wenn mir die Männer Ihren Freund ausliefern – Sie glauben doch nicht wirklich, dass Sie damit davonkommen?«
Sein Gegenüber lächelte knapp. »Ich habe auf der Polizeischule gelernt, dass man immer ein Problem nach dem anderen lösen soll«, sagte er. »Sobald wir aufgesetzt haben, gehen Sie hinaus und holen Benedikt.«
»Ich?«, fragte De Ville mit schriller Stimme. »Sind Sie verrückt?«
»Nicht verrückt genug, um es selbst zu tun«, erwiderte der Beamte. Er starrte De Ville eine Sekunde lang fest in die Augen, dann schwenkte er seine Pistole herum und zielte auf den Hinterkopf des Piloten. »Und falls Sie versuchen, mich hereinzulegen, ist er der Erste, der stirbt.« Er machte eine Kopfbewegung auf Rachel. »Dann sie und als Letzter ich.«
»Sie sind ja wahnsinnig«, grollte De Ville.
»Wenn Sie das wirklich glauben, dann tun Sie besser, was ich sage«, antwortete der Polizist. »Sie wissen doch, dass man mit Wahnsinnigen nicht diskutieren kann.«
Der Helikopter setzte mit einem harten Ruck auf. De Ville starrte den Mann mit der Pistole aus Augen an, in denen sich Wut und Ohnmacht spiegelten, aber dann stemmte er sich ächzend in die Höhe und ging geduckt zur Tür.
»Denken Sie daran«, erinnerte ihn der Polizist. »Ich habe nichts zu verlieren.«
»Das werden wir sehen«, murmelte De Ville. Er streckte die Hand nach dem Türgriff aus und musste sich noch mehr anstrengen als Rachel zuvor, um die schwere Schiebetür zu öffnen. Während er es tat, ließ der Entführer die Pistole unter seiner schwarzen
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