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Flut

Flut

Titel: Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Galera
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außen rum.
    Hier geht’s nicht weiter.
    Der Wächter spuckt auf den Boden und zeigt auf eine Reihe von Steinen, nur wenige Meter vom Meer entfernt.
    Das soll die Grenze des Grundstücks sein?
    Ja.
    Das ist total illegal.
    Nicht mein Problem. Du musst umkehren.
    Ich werde nicht umkehren.
    Er schnalzt mit der Zunge, um die Hündin zu rufen und läuft weiter. Der Mann verfolgt ihn.
    He, zwing mich nicht, dir …
    Er dreht sich um, streift den Rucksack ab und läuft ihm mit festem Schritt entgegen. Beta knurrt wieder.
    Geh mir aus dem Weg und lass mich in Ruhe, sonst bringe ich dich hier und jetzt um, das schwöre ich bei Gott.
    Der Rucksack fällt auf den Boden, der Wächter weicht zurück. Er hat das Buschmesser gezückt, hält es aber gesenkt,nah am Oberschenkel. Die beiden beäugen sich eine Weile, bis der Wächter ohne etwas zu sagen abzieht. Er setzt den Rucksack wieder auf und beginnt den Anstieg des nächsten Hügels. Der Regen wird stärker und läuft zwischen Kuhfladen in Rinnsalen den grasbewachsenen Hang herunter. Ein Stück weiter stehen drei Pferde, zwei Füchse und ein Schimmel. Als er sich nähert, wechseln sie von kontemplativer Trance zu Alarmbereitschaft. Ihre Mähnen sind kurz geschnitten, ihre strammen Körper sehen regenundurchlässig aus. Er verspürt den sinnlosen Drang, auf ihnen zu reiten, und eines der Pferde tritt kräftig mit dem Vorderhuf auf, als könne es seine Gedanken lesen.
    Vor der Praia da Ferrugem sucht er nach einer geeigneten Route die Felsen hinunter und entdeckt dabei eine Höhle mit Felsmalereien. Er trägt die Hündin zur Höhle, trocknet sich so gut es geht ab und verbringt dort die erste Nacht in seinen Schlafsack eingerollt. Mit dem Feuerzeug betrachtet er die dreieckigen Muster, die großen Kreise und Rauten an den Wänden, aber die Bilder bleiben rätselhaft. Er kann sich nicht vorstellen, dass die Urbewohner etwas anderes als Fische, Wellen, Pfeile und Himmelskörper hätten darstellen wollen, diese geometrischen Formen erinnern jedoch an nichts davon. Sie müssen sich auf etwas anderes beziehen. Die Höhle ist trocken und sauber, mit Ausnahme einer grünen Plastikflasche und den Wachsresten einer Kerze, die womöglich ein einsamer Fischer oder Eremit zurückgelassen hat. Als es Nacht wird, herrscht absolute Finsternis. Die Wellen brechen in unmittelbarer Nähe, aber ihr Tosen klingt weit entfernt. Das unterirdische Grollen und der saure Geruch stehenden Meerwassers verleihen der Höhle eine seltsame Heimeligkeit, die ihn ruhig schlafen lässt.
    Er wandert einige Tage lang weiter nach Süden. Bergauf und bergab, links das Meer und die Felsen, rechts kilometerweit bis zum dunkelgrünen Wall der Serra do Tabuleiro, eine Landschaft aus Hügeln und Ebenen, durchsetzt von Ferienhäusern, gerodetem Bauland, kleinen Stücken Urwald, von Gras überzogenen Dünen, Reisplantagen, Weideflächen, Lagunen und Landstraßen. Als der Regen nachlässt, erkennt er von oben den Asphaltstreifen der Bundesstraße und die anrainenden Dörfer. Hin und wieder dringen ein paar Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke und bringen dieses Flickwerk in all seinen Kontrasten zum Leuchten. Wie immer geht die Sonne auf und unter, aber manchmal sieht er tagelang keinen einzigen Schatten. Es gewittert nicht, es weht kein Wind. Er lässt die Strände so schnell es geht hinter sich und wandert bevorzugt über Hügel, auf Felsküsten. Entlang der Pfade, die die Rinderherden auf der Suche nach Futter im Wald hinterlassen, trifft er auf verlassene Feuerstellen und Lagerstätten. Hier und da findet er auf Felsen in Strandnähe polierte Kreise und längliche Blöcke, an denen die Ureinwohner vor Tausenden von Jahren ihre Werkzeuge schärften. Damit Beta ihm folgen kann, läuft er langsam und vermeidet schwierige Passagen. Manchmal trägt er sie über die Steine, und manchmal bleibt sie stehen und wartet, dass er zurückkommt. Sie isst ihr Futter schneller als sonst und scheint überrascht, wenn nichts mehr übrig ist.
    An der Praia da Ferrugem findet er für einige Stunden Unterschlupf in Zados Bar. Er isst eine Teigtasche mit Fleisch, trinkt eine Cola und breitet den Schlafsack zum Trocknen auf einem der überdachten Tische aus. Der Regen hat sogar die Surfer vertrieben, und der Junge an der Kasse fragt ihn, ob er sich verirrt hat, und verfolgt aufmerksam jede seiner Bewegungen. An der Praia da Barra grüßt ihn ein Mann, der in einem lilafarbenen Bademantel auf der Veranda seiner Strandwohnung sitzt und eine

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