Flut
sich von seiner Anwesenheit nicht stören lässt. Er setzt sich auf die Bank vor einem der Tische, isst seine Früchte und sieht den Regen auf den Sand prasseln. Als er anfängt, mit Beta zu reden und Selbstgespräche zu führen, wird ihm klar, dass er nicht zu lange Pause machen darf, weil er sonst nicht mehr weiter kann. Er steht auf, geht die kleine Treppe zum Sand hinunter und läuft am Strand entlang bis zum nächsten Hügel.
An einer Stelle haben die Wellen die Dünen weggespült, darunter kommt ein treppenförmiger Fels zum Vorschein, der aussieht, als wäre er von Menschenhand geformt. Dahinter erstreckt sich endloser Strand, flankiert von Dünen und Uferdickicht. Den Seewind im Rücken marschiert er mit festen Schritten weiter, den Blick in die Ferne gerichtet. Er kommt an einem Delfin- oder Glattwalskelett vorbei. An seinem krokodilartigen Schädel hängt eine Reihe von Wirbeln, teilweise im nassen Sand begraben. Er kann sich nicht mehr vorstellen, wie sich ein Tag ohne Regen anfühlt.
Am Nachmittag erreicht er die Mündung eines Flusses, der langsam und mächtig wie ein Lavastrom ins Meer fließt und Geäst aus fernen Gebirgen mit sich treibt. Aus dem Dorf auf der anderen Seite wagen einige Fischer die riskante Überfahrt in ihren schmalen Booten. Einer von ihnen erklärt sich bereit, ihn überzusetzen, und fragt, wo er herkommt, wohin er will, ob er Hilfe braucht. Er denkt vor jeder Antwort lange nach, als würde er die Fragen nicht verstehen und nur aus Höflichkeit versuchen, eine Antwort zu erfinden. Ich komme von dort, er zeigt nach hinten. Ich wandere ein bisschen durch die Gegend. Immer an den Hügeln entlang. Ich brauche nichts, mein Freund, aber dass du mich über den Fluss bringst, ist schon eine große Hilfe. Beim Abschied zerquetscht ihm der Fischer fast die Hand.
Der Pfad führt am Fluss entlang um den ersten Hügel herum bis zu einem kleinen Strand, auf dem eine Viehherde steht. Die Kühe streifen flankiert von Kälbern um die Steine herum, die Stiere heben die Köpfe und mustern ihn. Beta bellt und schreckt einen Teil der Herde auf, die Tiere laufen ans andere Ende und sammeln sich an einer Stelle, an der das Wasser durch den Felsen schießt. Die beiden Fischerhütten sind verschlossen, an einer hängt ein Schild mit dem Namen einer Bar, die offensichtlich nur im Sommer geöffnet hat. Nachdem er ein Stück weitergelaufen ist, fängt es an zu blitzen. Der Donner folgt mit großem Abstand, hält aber lange an. Er versucht, schneller zu laufen, hat aber nicht die Kraft und fürchtet endgültig zusammenzubrechen, falls er noch langsamer würde.
Er steigt auf einen grasbewachsenen Hang und blickt plötzlich über ein riesiges Tal, das sich parallel zum Meer erstreckt und am Horizont im Dunst verschwindet. An einer Gabelung entscheidet er sich, auf dem Hügelkamm zu bleiben, da es bald Abend wird und die Bäume auf dieser Seite vielleicht etwas Schutz bieten, falls das Gewitter ihn erreicht. Er geht jetzt so schnell er kann. Stämme und Äste der Kasuarinen am Rande des Felsens wachsen im permanenten Wind schräg und machen den Eindruck, als würden sie sich am liebsten ins schützende Tal stürzen. Der Regen peitscht ihm von rechts ins Gesicht.
Unterhalb der flachen, dichten Baumkronen verliert der Regen an Schärfe, und es wird insgesamt wärmer und ruhiger. Als er sich nach einem Unterschlupf für die Nacht umsieht, hört er auf einmal ein Baby schreien. Er sucht nach einer Erklärung, vielleicht das Blöken eines Schafes oder das Knirschen eines Baumstamms im Wind, aber eigentlich ist es eindeutig, und beim zweiten Mal hat er keinen Zweifel mehr. Er schaut sich um und sieht sich schon einem Spuk oder irgendeinem anderen unerklärlichen Phänomen ausgesetzt. Kann der Sturm einen Laut so weit tragen? In einiger Entfernung entdeckt er etwas Gelbes zwischen den Bäumen. Vorsichtig nähert er sich. Er hat Angst.
Ein Stück gelbe Plane hängt zwischen den Bäumen über einem kleinen Igluzelt. Die Laute kommen aus dem Zelt. Das Licht stammt wahrscheinlich von einer Gaslampe und wirft die Schatten zweier Gestalten auf die grüne Nylonwand. Er ruft Hallo und klatscht in die Hände. Der Reißverschluss wird geöffnet, und ein Kopf mit langen, schwarzen Haaren und extrem dicken Brillengläsern ragt aus dem Zelt.
Die beiden heißen Jarbas und Valquíria, aber er nennt sich Ente und sie Val. Das Baby ist dreizehn Monate alt und heißt Ítalo. Sie kommen aus Santa Cruz do Sul und wohnen die meiste
Weitere Kostenlose Bücher