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Flut

Flut

Titel: Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Galera
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Fliegen aus der Luft zu schnappen. Er füllt die Wasserflasche auf und bleibt nackt in der Mittagssonne sitzen, bis er trocken ist. Die Hälfte des Himmels ist blau. Schmetterlinge und Grillen streiten sich um die Wiesen, und die Luft ist vom Summen verschiedenster Klangfarben erfüllt. Er sieht sich um und weiß zwar nicht genau, wo er ist, aber noch ungefähr, von wo er gekommen ist, und auch, in welche Richtung es weitergeht. Der Geruch von Fruchtbarkeit steigt aus der feuchten, von der Sonne erwärmten Erde. Schwarze, haarige Hummeln gleiten durch die Luft und bestäuben die Orchideen. Die Wolken rücken langsam vor, in der Ferne ertönt Donner. Er beschließt aufzubrechen und wandert über den Kamm des Hügels querfeldein durch den Wald.
    Kurz nach Eintritt der Dämmerung entdeckt er ein Tal, über dem ein Nebel von Glühwürmchen schwebt. Er wagt es kaum, sich zu bewegen, aus Angst, ein einziger Schritt könnte Tausende von Käfern mit einem Mal verscheuchen und den Zauber beenden. Dann fallen die ersten dicken Tropfen vom Himmel, und ihr grünes Licht erlischt nach und nach.
    Er findet Schutz unter einem Baum. Mitten in der Nacht wacht er vom Heulen der Hündin auf. Sie hat sich ein Stück entfernt, und er kann sie nicht sehen. Er hört das Geräusch zum ersten Mal und fühlt sich dabei merkwürdig schuldig, als belausche er sie in einem intimen Moment. Die Töne sind lang und folgen in größeren Abständen. Sie bleiben unbeantwortet.
    Am Ende des nächsten Tages wird ihm klar, dass er auf dem Morro do Freitas unterwegs ist. Links erkennt er die Straßen und Häuser von Paulo Lopes, rechts die Macacu-Küste und die Lagune von Siriú. Irgendwo in der Nähe müssen dieGrundstücke sein, die Santina eines Tages ihren Kindern vererben wird. Er verbringt eine weitere Nacht unter freiem Himmel. Es macht ihm nichts mehr aus, nass zu sein, und der Hunger, der ihn in den letzten Tagen förmlich zermürbt hat, ist weg. Er läuft langsam weiter von einer Hügelspitze zur nächsten, die Hündin mit etwas Abstand hinter ihm, und vermeidet Straßen und Felder, bis er an den Ortsrand der Praia do Siriú kommt.
    Er nimmt den erstmöglichen Pfad nach unten, betritt das erstbeste Schnellrestaurant und bestellt einen Cheeseburger Spezial. Der Klang seiner Stimme hallt in seinem Kopf nach, und ihm wird bewusst, dass er seit der Unterhaltung mit der Frau auf dem Berg kein Wort mehr gesprochen hat. Am Nebentisch hängen zwei Jungs mit Baseballkappen und weiten Skaterhosen in ihren weißen Plastikstühlen, sie rauchen und trinken Bier. In ihrem kryptischen Dialog scheint es um eine Party zu gehen und um ein Mädchen, das dort war. Es spricht hauptsächlich der kleine Dünne, während der große Starke zuhört und mit der Fernbedienung der Alarmanlage seines Autos spielt, das direkt vor der Tür steht. Auf dem kleinen Fernseher an der Wand läuft ein synchronisierter Film, aber der Ton ist beinahe unhörbar leise gedreht. Die schwangere Bedienung im weißen Kittel und mit Hygienehaube, die gleichzeitig an der Kasse und in der Küche arbeitet, bringt den Cheeseburger und ein Tablett mit Servietten und Saucen. Er schafft den Burger nur bis zur Hälfte. Den Rest gibt er Beta, die ihn auf einem Rasenstück neben einer Straßenlaterne frisst. Im Fernsehen läuft nach der Werbepause ein Nachrichtenblock mit Bildern von der Überschwemmung. Schokoladenbraune Stromschnellen überfluten eine Bundesstraße. Männer rudern durch ein Archipel von Dächern. Familien, die in einer Turnhalle campen.
    Er bittet die Jungs um eine Zigarette. Sie sehen ihn an, ohne zu reagieren, also wiederholt er seine Bitte. Der große Starke steht auf, kommt an seinen Tisch und wartet, bis er mitseinen langen, schlammverschmutzten Fingernägeln eine Zigarette herausgefischt hat und zündet dann das Feuerzeug vor seinem Gesicht an. Er bedankt sich, zieht ein paar Mal, ohne zu inhalieren, und wirft dann die halb abgebrannte Zigarette auf die nasse Straße.
    Unfassbar. Was für eine ekelhafte Scheiße.
    Dann räuspert er sich und spuckt auf den Fußweg. Der kleine Dünne grinst höhnisch.
    Wo kommst du her, du Verrückter?
    Er steht auf, legt Geld auf den Tisch, gibt der Bedienung ein Zeichen, dreht den Jungs den Rücken zu und beginnt im Gehen langsam und theatralisch zu sprechen.
    Alles begann vor langer, langer Zeit, sagt er, zeigt auf die Hügel und läuft weiter in Richtung Strand. Es war eine dunkle   … und stürmische Nacht …
    Arme Sau, hört er noch einen

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