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Flut

Flut

Titel: Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Galera
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jetzt noch zu früh. Er hatte sich eine lange, vielleicht sogar endlose Suche ausgemalt, und es frustriert ihn, so schnell an etwas erinnert zu werden, von dem er lieber weiter so tut, alswürde er es nicht wissen, daran nämlich, dass das Gefühl der Leere, nach dem er sich sehnt, in ihm selbst schlummert und er es überall mit hinschleppt. Wie eine Überraschungsparty, die schon vorher angekündigt wird, oder ein Witz, den man erklärt, bevor man ihn erzählt. Er erinnert sich an den Witz des Jungen. Vorhin hat er nicht gelacht, aber jetzt findet er ihn plötzlich urkomisch.
    Beta hat ihr Futter gegessen und das Wasser ausgetrunken. Während er das Wasser nachfüllt, liegt sie auf ihrer Hundedecke auf den klebrigen Fliesen und beobachtet ihn. Er putzt sich die Zähne und legt sich in Unterhose aufs Bett. Es riecht nach Zement und Weichspüler. Er hört, wie sich die Wellen zweihundert Meter weiter brechen. Er hört die Mofas Gas geben und über allem die Stille.
    Er steht wieder auf und zieht Hose, Turnschuhe und ein frisches Hemd über. Die Uhr unten auf der Straße zeigt kurz nach Mitternacht. Er läuft zur Pizzeria. Zwei Tische sind noch von Gästen besetzt, die unbedingt ein letztes Getränk bestellen wollen. Die Angestellten warten ungeduldig und kauen auf den Fingernägeln. Er sucht nach der großen Kellnerin mit dem krausen Haar. Vielleicht hätte er sie nach ihrem Namen fragen sollen. Krauses Haar haben viele. In seiner Erinnerung wird ihr Gesicht jetzt zu einer verschwommenen Karikatur, fast abstrakt. Dann erkennt er sie doch, an der Haltung. Sie steht draußen, weiter hinten, im Halbdunkel der kleinen Einkaufspassage, und versucht, einen Tisch zusammenzuklappen. Irgendetwas rastet nicht ein. Er geht auf sie zu und spricht sie schüchtern an. Von der spontanen Unbefangenheit, mit der man als Gast mit der Kellnerin flirtet, ist nichts mehr übrig. Er fand sie hübsch und findet sie auch jetzt noch hübsch, aber was diese Schönheit ausmacht, war ihm entfallen, und jetzt ist es wieder da. Es ist, als würde er sie zum ersten Mal sehen. Sie lächelt, als sie ihn bemerkt. Jeder Mensch merkt, wenn er wiedererkannt wird, aber er hat diese Fähigkeit notgedrungen überdurchschnittlich verfeinern müssen.Der Ausdruck des Wiedererkennens kann schon alles beinhalten, was man wissen muss.
    He. Hast du Lust, gleich noch irgendwo ein Bier trinken zu gehen?
    Während sie überlegt, gelingt es ihr endlich, den Tisch zusammenzuklappen.
    Im Pico ist heute eine Party.
    Pico.
    Pico do Surf, kennst du das nicht?
    Nein. Ich bin heute erst angekommen. Ich kenn gar nichts.
    An der Praia do Rosa. Ich bin mit ein paar Freundinnen verabredet. Ich weiß aber noch nicht, wie ich hinkommen soll.
    Ich bin mit dem Auto da. Kann ich dich mitnehmen?
    Sie heißt Dália und bittet ihn, sie in einer halben Stunde abzuholen. Er läuft zum Hotel zurück, duscht kurz und geht dann zum Parkplatz. Eine Weile bleibt er vor dem Wagen stehen, der noch voll beladen mit Sachen ist. Er holt den anderen Koffer raus, den Fernseher, die Tasche mit der Playstation, eine Schachtel mit Unterlagen und was sonst noch halbwegs wertvoll ist, und bringt alles aufs Zimmer. Insgesamt muss er dreimal laufen. Beta schläft und wacht auch nicht auf. Verschwitzt lässt er den Motor an. Er ist spät dran. Im Auto riecht es nach Hund.
    Dália steht rauchend vor der geschlossenen Pizzeria, in Begleitung eines jungen Mannes mit Baseballkappe und Surfershorts.
    Kommt er mit? Ich glaube, auf der Rückbank ist kein Platz.
    Sie öffnet die Tür, setzt sich und sagt, er habe ihr nur Gesellschaft geleistet, solange sie warten musste. Er hatte ihr Gesicht schon wieder vergessen. Als sie sich kurz auf die Wange küssen, kann er sie nicht richtig sehen, und jetzt blickt sie nach vorn und zeigt nur ihr Profil.
    Wir müssen noch kurz zu mir nach Hause, okay? Ich muss mich umziehen. Wenn’s dir nichts ausmacht.
    Sie lenkt ihn durch kleine, uneben gepflasterte Straßen in den älteren Vierteln der Stadt. Riesige Hunde und schnelle Radfahrer sind auf den nächtlichen Straßen unterwegs, die nur hier und da beleuchtet sind. Um die Stadt herum zeichnen sich die Umrisse der Hügel ab. Im Radio läuft leise Reggae. Sie erzählt von ihrer Arbeit in der Pizzeria, und er erklärt, dass der Kram hinten im Wagen mit seinem Umzug aus Porto Alegre zu tun hat. Sie kommen auf einen Feldweg und biegen dann in eine Zufahrt, die nur noch aus Reifenspuren im Gras besteht. Im Licht einer Straßenlaterne

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