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Flut

Flut

Titel: Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Galera
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startet die Gruppe im Sand. Saras Uhr piept, sie ist schon bei hundertfünfundfünfzig, also drosseln sie das Tempo noch mehr. Nur Clóvis prescht vor. Er lässt sie. Am Ende des Strandes laufen sie die Estrada do Siriú entlang, die erst asphaltiert ist und danach nur noch Erde und Sand. Ein kleiner Junge schreckt die Hühner im Hof eines Häuschens am Straßenrand auf. Alle zwei oder drei Minuten kommt ein Auto oder Motorrad vorbei. Er besteht darauf, dass sie hintereinander am Rand laufen und in den Kurven besonders aufpassen. Sara findet ihren Rhythmus, und Denise passt sich ihr laut schnaufend an. Clóvis ist weit vor ihnen, und die völlig ungeübte Celma macht langsam schlapp. Er fordert die anderen auf weiterzulaufen und bleibt bei ihr, sie laufen und gehen abwechselnd kurze Strecken. Celma sagt, es sei ein Segen, an so einem Ort zu leben und morgens früh durch eine so schöne Landschaft laufenzu können. Gott habe ihr auf ihrem bisherigen Weg schon so manche Prüfung auferlegt. Auf seine Nachfrage hin erzählt sie ihm alles.
    Auf dem Rückweg hat Sara wie immer feuerrote Wangen. Ihr schweißnasses Gesicht dampft. Ihr Mann, der Zahnarzt, organisiere eine Grillparty, sagt sie, sie seien alle eingeladen. Dann nimmt sie ihn am Arm und zieht ihn etwas beiseite, als wollte sie ihm ein Geheimnis anvertrauen.
    Wir müssen noch etwas besprechen.
    Was denn?
    Wie wir das mit der Bezahlung machen.
    Weiß ich noch nicht. Das sehen wir dann.
    Hast du denn keine festen Preise?
    Ich denk drüber nach. Das sehen wir dann.
    Es ist nur so, dass wir das jetzt schon fast einen Monat machen und die anderen gern wissen würden, wie viel sie das kostet.
    Macht euch keine Sorgen. Das sehen wir dann.
    Sie wirkt nicht zufrieden, lässt das Thema aber fürs Erste ruhen.
    Als die anderen weg sind, holt er seinen Rucksack hervor, den er hinter einer Mauer versteckt hat, und verstaut darin Shorts, T-Shirt und Schuhe. Er setzt die Brille auf und geht schwimmen. Das Wasser ist eiskalt, aber erträglich. Die Wellen kräuseln sich leicht. Er schwimmt auf den Katamaran zu, will ihn umrunden, dann zurück zum Strand und die Strecke so oft wiederholen, bis er nicht mehr kann. Die Praia da Preguiça ist für ihn nach wie vor tabu, solange die Fischer die Bucht während der Fangzeit für sich beanspruchen.
    Als er näher kommt, hört er Warnrufe. Außer Atem und mit beschlagener Brille hebt er den Kopf aus dem Wasser und sieht zwei Besatzungsmitglieder, die ihm vom Heck aus zurufen und mit den Armen wedeln. Er nimmt die Brille ab, sieht sich um und versucht, irgendwo ein Schiff oder Boot oder einen Delfin oder was auch immer auszumachen. Einerder Männer gibt ihm Zeichen, näher zu kommen, und zeigt auf etwas auf dem Boot. Er schwimmt vorsichtig heran und sieht über die Wellen hinweg ein glänzendes Tier auf dem Heck liegen. Es ist eine relativ große Robbe, grafitfarben mit ein paar hellen und dunklen Flecken. Die Männer lachen begeistert über das plumpe, schnurrbärtige Tier, das ständig das Gewicht von einer Flosse auf die andere verlagert. Als er nur noch wenige Meter entfernt ist, sagt einer der beiden, die Robbe sei schon da gewesen, als sie aufgewacht sind, und mache keine Anstalten, wieder abzuhauen. Sie glauben, dass sie Hunger hat. Der andere verschwindet kurz in der Kabine und kommt mit einem kleinen Fisch zurück. Die Robbe wirft einen Blick auf den Fisch, der jetzt über ihrem Kopf baumelt, brüllt zwei Mal laut und kurz auf und hüpft dann nach einer dramatischen Pause elegant und ohne einen Spritzer ins Meer. Die drei sehen sich sprachlos an. Er fragt, wem der Katamaran gehört, und die Männer antworten, sie würden nur auf das Boot aufpassen, der Besitzer, ein Mann aus São Paulo, sei auf einer Weltumseglung und habe etwas in der Stadt zu erledigen. Die Robbe taucht auf und hüpft mit einem olympiareifen Sprung wieder an Deck. Sie hat einen großen Fisch im Maul, mindestens drei Mal so groß wie der, den ihre Gastgeber ihr angeboten haben. Der Fisch zappelt, bis sie genug von ihrem Auftritt hat und ihn verschlingt.
    Als er später am Nachmittag den Zwillingen eine Übung zur Verlängerung der Armzüge erklärt, taucht eine Frau am Eingang auf und kommt mit besorgter Miene und fuchtelnden Armen auf ihn zugelaufen.
    Dein Hund wurde überfahren.
    Er erkennt sie nicht.
    Das war nicht meiner, erwidert er. Mein Hund ist hier.
    Ich hab’s doch gesehen!, brüllt sie aufgeregt. Direkt vor meinen Augen, gleich hier auf der

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