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Flut

Flut

Titel: Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Galera
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Male geht er runter, entdeckt aber weder Höhlen noch Spalten und schon gar keine Zackenbarsche. Nichts, was den Gebrauch einer Harpune gerechtfertigt hätte.
    Als er schließlich wieder aufs Boot klettert, sieht er von Süden, über der Praia do Rosa, ein Gewitter auf sie zukommen. Matias und Antenor sind noch unter Wasser. Ihre gelben Bojen tanzen im Auf und Ab der Wellen. Weder die schwarzen Wolken noch der immer stärker pfeifende Wind scheinen sie zu beunruhigen. Sie müssen es wissen. Er lässt die Harpune an Bord und springt wieder ins Wasser. Er versucht zu schätzen, wie tief es an der Stelle ist, und taucht unter, bis der Druck auf den Ohren schmerzt und er auf dem Grund die blassgelben Steine liegen sieht. Wahrscheinlich sind es fünf oder sechs Meter. Er steigt wieder auf und hievt sich auf einen der Felsen, die fast die Oberfläche erreichen.
    Seinem Vater zufolge konnte sein Großvater die Luft vier oder fünf Minuten lang anhalten, vielleicht sogar noch länger. Ein anderer Taucher war, als er ihm nacheiferte, an einer Embolie gestorben. Er taucht wieder unter, stoppt die Zeit mitseiner Armbanduhr und taucht erst wieder auf, als der Druck hinter den Augen zu groß wird. Eine Minute fünf Sekunden. Beim nächsten Versuch sieht er einen rot-blauen Tintenfisch über den Meeresboden kriechen und eine Sandwolke hinter sich herziehen, bevor er sich hinter einem Stein versteckt. Diesmal schafft er nur 48 Sekunden. Er beschließt, eine Pause einzulegen. Der Wind peitscht die Wellen auf. Beim dritten Anlauf schafft er eine Minute und sechs Sekunden und gibt sich zufrieden. Offenbar hat er nicht die Lunge seines Großvaters geerbt.
    Er kehrt zum Boot zurück, zieht die wasserdichte Jacke über und versucht zu messen, wie lange die anderen die Luft anhalten. Matias bleibt einmal eine Minute vierzig unter Wasser. Kurz darauf kommt Antenor mit Mühe ins Boot geklettert. Während er ihm hilft, sieht er, dass seine Taucherbrille voller Blut ist. Antenor nimmt die Maske ab, und das Blut läuft ihm über Gesicht und Hals.
    Irgendwas ist geplatzt, sagt und er hält sich die Nase zu. Scheiße, das tut tierisch weh. Ich glaube, es sind die Nasennebenhöhlen.
    Als die Blutung nachlässt, wird Antenor übel.
    Scheiße, Scheiße, stammelt er. Mir geht’s echt schlecht.
    Er holt seine Erdbeerkekse heraus und bietet sie ihm an. Das Boot schaukelt heftig in sämtliche Richtungen. Die Temperatur ist von einem Augenblick auf den anderen um mindestens zehn Grad gesunken, und das nahende Gewitter hat den gesamten Horizont verschluckt. Der Wind tost und wühlt die Gischt auf. Vögel sind schon lange keine mehr zu sehen. Antenor sieht besorgt zu den Klippen rüber.
    Matias hat einen fetten Zackenbarsch entdeckt. Der gibt nicht auf, bevor er ihn hat. Ich kenne ihn.
    Zu ihrer beider Erleichterung kommt Matias kurze Zeit später aufs Boot zugeschwommen. An Bord zieht er eine Schnur ein, an der zwei kupferfarbene Fische hängen, ein großer, um die acht Kilo, und ein kleinerer, um die zweieinhalb. Er posiert mit dem größeren in beiden Händen, und Antenor schießt ein Foto. Im Blitz der Kamera scheinen der rote Schlund und die gezackten Zahnreihen auf. Es fängt an zu regnen. Matias holt ein kleines Tetra-Pak gezuckerte Kondensmilch aus der Tasche, schneidet die Ecke mit dem Messer auf und lässt sich das süßliche Zeug in den Mund laufen. Antenor wirft den Motor an, und das Boot saust auf die heimatliche Bucht zu, weg von dem Unwetter.
    Ein Kurzstreckentriathlon versetzt Garopaba am Vormittag des dritten Samstags im Juni in Aufregung. Die Sonne scheint, aber ein unangenehmer Nordostwind macht den Sportlern das Leben schwer. Die Hauptstraße ist für die Radfahrer und Läufer abgesperrt, und im aufgewühlten Meer markieren zwei rote Bojen den dreieckigen Streckenverlauf der Schwimmer. Die Fahrräder stehen nebeneinander aufgereiht in einer Querstraße einen Block vom Strand entfernt. Trainer, Verwandte, Freunde und Anwohner versammeln sich hinter dem Absperrband auf dem Bürgersteig, um den Teilnehmern zuzujubeln. Zwei seiner Schülerinnen, Sara und Denise, haben sich in Staffel-Mannschaften angemeldet und laufen die fünf Kilometer Wettkampfdistanz. Die Schienbeine der Apothekerin schmerzen nicht mehr, und ihre Freundin Denise hat sichtlich abgenommen und läuft den Kilometer in fünf Minuten dreißig, ein beachtlicher Fortschritt gegenüber ihren ersten Strandläufen. Er selbst ist für die sechshundertfünfzig Meter Schwimmen in

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