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Flut

Flut

Titel: Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Galera
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Saras Mannschaft eingetragen. Radfahren wird Douglas, Saras Mann, ein herzlicher, eher wortkarger Mensch, ungefähr zehn Jahre älter als sie und dabei, sich zu einem Glatzkopf zu entwickeln. Dem Akzent nach stammt er aus dem Norden von Porto Alegre. Er hält sich fit, indem er das ganze Jahr über surft und mit seinem Rennrad jeden Sonntagmorgen bis zur BR-101 fährt und zurück.
    Unter den professionellen Teilnehmern sind ein paar Bekannte von ihm, am innigsten fällt das Wiedersehen mit Pedro aus, der von Paquetá Esportes gesponsert wird, regelmäßig auf dem Siegerpodest steht und in der nationalen Rangliste auf Platz elf ist. Am Abend davor, auf der Fachmesse im Speisesaal des Hotel Garopaba, hatte Pedro als Erstes gefragt, ob er krank sei. Er fand seinen alten Trainingskollegen etwas abgemagert und abgespannt, ganz zu schweigen von seinem ungepflegten Bart. Er versicherte ihm, es ginge ihm gut, und was den Bart betraf, nun ja, er habe sein eigenes Gesicht nicht mehr sehen können, es sei ein Experiment. Pedro verstand den Witz und lachte. Sie umarmten sich herzlich. Pedro war auf ihn zugekommen und hatte gesagt, Hi, ich bin’s, Pedro. Die beiden respektierten einander. Sie waren stundenlang zusammen gelaufen, Rad gefahren und geschwommen, weite Strecken, hatten sich gegenseitig angespornt und abgelenkt, versucht, den Rhythmus des anderen anzunehmen, diesen halb meditativen Bewusstseinszustand geteilt. Pedro ist genau wie er dreiunddreißig, aber er weiß, dass sie beide ein bisschen älter wirken. Zu viel Einsatz, zu viel Sonne, zu viele freie Radikale im Blut, dazu körperliche und emotionale Missgeschicke, die jeder kennt und die man am Körper trägt wie Narben, mal mehr, mal weniger auffällig. Der Körper ist seine eigene Zeitkapsel, und seine Reise ist immer ein wenig öffentlich, egal, wie sehr wir versuchen, ihn zu verstecken oder zu überschminken.
    Zirka zwanzig Minuten vor dem Start geben die Kampfrichter durch, dass das Wasser voller Quallen ist. Im letzten Moment wird die Benutzung von Neoprenanzügen erlaubt, und die Schwimmer eilen nach Hause, um ihre zu holen. Nachdem der Startschuss gefallen ist, laufen sie durch den Sand, springen über die ersten Wellen und dann kopfüber ins Wasser, wo sie feststellen, dass sie sich ihren Weg durch ein Meer schwabbeliger Kugeln in der Größe von Hallenfußbällen bahnen müssen. Viele der Quallen sind Feuerquallen, und wer keinen Anzug hat, verlässt das Wasser mit Verbrennungen. Eine Frau bekommt einen Tentakel mitten ins Gesicht und wird laut schreiend von den Betreuern im Kajak gerettet.
    Pedro steigt als Erster aus dem Wasser. Er selbst ist Dritter. Douglas verliert den anfänglichen Vorsprung ihres Teams während der zwanzig Kilometer langen Radstrecke. Er gibt sein Bestes, hat aber keine Chance gegen die Profis. Sara schafft es fast nicht, die fünf Kilometer zu Ende zu laufen, doch dann begleitet er sie auf dem letzten Kilometer, bis sie knallrot und außer Atem ins Ziel taumelt. Immerhin landen sie auf dem vierten Platz unter den insgesamt sieben Staffel-Mannschaften, also im Mittelfeld. Ein ermutigendes Ergebnis. Am Ende des Wettkampfes irren Amateure und Profis lächelnd und leicht abwesend herum, erschöpft und wie unter Drogen, eine Mischung aus Euphorie und Entspannung.
    Sara und Douglas laden alle Freunde und Bekannte, die am Wettkampf teilgenommen haben, spontan zum Grillen ein. Auf Saras Bitte verspricht er, sein vielgepriesenes mariniertes Flank Steak zu machen, was einige Vorbereitung erfordert. Chilischoten, Majoran, Rosmarin, Zitrone, grobes Salz, und dann muss das Ganze mindestens eine Stunde lang in Aluminiumfolie aufs Feuer. Douglas steigt aufs Fahrrad und fährt schon mal vor, um den Grill anzuwerfen und Bier kalt zu stellen. Sara besteht darauf, ihn zum Supermarkt zu fahren, damit er dort Fleisch und Gewürze kaufen kann, aber er will erst nach Hause, duschen und sich umziehen. Er kann noch so oft wiederholen, es sei nicht nötig, sie tut einfach so, als würde sie ihm nicht zuhören. Sind wir ein Team oder sind wir keins?
    Als sie in seine Wohnung kommen, passiert, was er vorausgesehen und auch nicht groß verhindert hat. Kaum hat er die Tür geschlossen, zieht sie Turnschuhe und Jogginghose aus und steht in Jacke und in ihren hellblauen Laufshorts vor ihm. Ihre Hände sind gerade dabei, den Reißverschluss der Jacke zu öffnen.
    Hey. Sara. Warte mal.
    Nimm mich, mein Lehrer.
    Ich kann nicht.
    Kannst du nicht oder willst du

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