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Flut

Flut

Titel: Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Galera
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die herhat. Ich hab ihm erzählt, dass es uns hilft, uns besser zu fühlen, wenn wir uns die Sachen jeden Tag angucken. Daraufhin hat er mich gefragt, was mein Erinnerungsstück sei, und da hab ich mich zu Tode geschämt, weil ich vergessen hatte, dass von mir gar nichts da hängt. Ich hab nie etwas gefunden, das gepasst hätte. Ich seh mir gern die Sachen von den anderen an. Wenn sie es schaffen, kann ich es auch schaffen. Er hat einen Zettel aus der Tasche gezogen, einen Flyer von einem Tourismusunternehmen von dem Strand, wo er wohnt, und hat ihn so zusammengefaltet, dass man nur noch den wunderschönen Strand sah, und er meinte, ich sollte das aufhängen, damit ich daran denke, ihn anzurufen und ihn irgendwann besuchen zu kommen. Ich hab ihm gesagt, dass ich das trenne, aber dann hab ich es erst mal hängen gelassen, um ihm ein bisschen zu schmeicheln. Ich denke, heute werde ich es abnehmen.   […] Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, aber ich hab ihn gebeten, mir zu versprechen, nie wieder herzukommen und auch nie wieder in einen Laden wie diesen zu gehen. Komisch, er hat es tatsächlich versprochen. Na ja, was heißt das schon […]

8.
    Die Hündin ist völlig abgemagert und hat Mühe, sich auf dem gefliesten Praxisboden fortzubewegen. Sie läuft hauptsächlich mit den Vorderbeinen, von denen das eine nach den Wochen im Gips noch etwas krumm und schwach ist. Mit den Hinterbeinen macht sie nur kurze, abgehackte Bewegungen, die eher wie unkontrollierbare Zuckungen wirken. Ihr Schwanz wedelt nicht. Trotz allem bewegt sie sich selbstständig vorwärts. Sie läuft. Die Tierärztin und er stehen mit gesenktem Kopf nebeneinander und sehen ihr zu. Beta atmet mit geschlossenem Maul die kalte Luft ein. Ihr eines Ohr ist etwas zerfetzt, und über manchen Wunden und Operationsnarben wächst kein Fell, aber ansonsten geht es ihr gut. Sie lebt. Er lässt sie ein Stück laufen, nimmt sie dann hoch, lässt sie an einer anderen Stelle wieder runter und versucht, sie mit einer Spielzeugente zu locken, die auf einem der Regale rumstand. Sie winselt und bellt schrill. Greice erklärt ihm, wie es weitergeht. Die Hündin könnte unter gelegentlicher Inkontinenz leiden und muss noch eine Weile Medikamente kriegen. Um einen Teil ihrer Bewegungsfähigkeit wiederzuerlangen, wird sie Physiotherapie brauchen. In ihrem jetzigen Zustand braucht sie zwar kein Laufgestell, kann sich aber auch nicht so bewegen, wie sie möchte. Die Tierärztin zeigt ihm ein paar Übungen, die er zu Hause mit ihr machen kann. Sie sagt, sie hätten großes Glück gehabt. Sie ist ergriffen und lässt es sich auch anmerken. Sie spricht von einem Wunder. Sie verabschiedet sich lange von der Hündin und lächelt die ganze Zeit, um nicht zu weinen. Bevor er geht, erzählt er ihr, dass Beta fünfzehn Jahre lang seinem Vater gehört hat und ihn begleitete wie ein Schatten. Wenn nötig, blieb sie stundenlangvor einem Laden oder Restaurant sitzen, bis er wieder rauskam. Sein Vater war kein Freund von Zärtlichkeiten, er nahm sie nie hoch und ließ sie auch nicht auf seinem Schoß sitzen. Nur eine Geste hat er nie vergessen. Manchmal gab er ihr drei oder vier kräftige Klapse auf die Rippen, fast ein bisschen grob. Sie rutschte regelrecht ein Stück zur Seite und klang dabei wie eine kleine Trommel. Ganz offensichtlich gefiel ihr das. Es war ein Spiel zwischen den beiden. Solche Codes wirken auf Außenstehende immer etwas exzentrisch. Ihr schrilles Bellen ist manchmal etwas unangenehm, aber andererseits bellt sie selten. Sie mag Kinder, aber keine anderen Hunde, man muss drauf achten, dass sie nicht auf sie losgeht. Außerdem beißt sie den Leuten gern in die Fersen. Scheint typisch zu sein, so ein Schäferhund-Instinkt. Wenn mein Vater kurze Strecken mit dem Auto fuhr, ließ er sie hinterherrennen, statt sie im Wagen mitzunehmen. Er fuhr vierzig oder fünfzig, und sie immer hinterher, zum nächsten Laden oder sogar bis zur Estrada do Trabalhador, die drei oder vier Kilometer entfernt war.
    Als Beta noch klein war und ich meinen Vater noch öfter besuchte, nahm ich sie manchmal zum Laufen mit. Bis zu zehn Kilometer, immer brav an der Leine. Sie war sehr deprimiert, als mein Vater starb. Ich weiß nicht, wie mein Vater die letzten zehn Jahre ohne Beta überstanden hätte. Ich schätze, es war die Verantwortung für sie, die ihn am Leben gehalten hat. Der Wille oder die Verpflichtung, sich um sie zu kümmern. Meine Mutter mag sie nicht besonders. Für sie ist sie

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