Flut
sich von ihrem Handrücken bis fast zum Ellbogen hoch. Die Haut an ihren Fingern wirkt spröde. Eckige Schrift. Linkshänderin. Gepflegte Fingernägel, aber ohne Nagellack. Er trinkt den Mate aus.
Willst du noch mehr?
Ihre Unterlippe ist etwas heller als die Oberlippe. Die Farbe von rohem Fleisch.
Nein, danke. Muss ich irgendwas mitbringen?
Sonnencreme. Fotoapparat. Wasser gibt es an Bord. Aber du musst im Voraus bezahlen.
Mist, ich hab kein Geld dabei.
Sie sieht auf die Uhr.
Ich mache in einer Viertelstunde zu. Pass auf, du kommst morgen einfach etwas früher und gibst mir das Geld dann. Aber das bleibt unter uns. Wohnst du hier?
Ich komme aus Porto Alegre, aber ja, jetzt wohne ich hier. Gleich da hinten, in einer der Wohnungen vor den Felsen. Neben dem Steg.
Wow, Fünf-Sterne-Blick! Was machst du so?
Ich bin Triathlon-Trainer. Laufen, Schwimmen und solche Sachen.
Cool.
Draußen hält ein Auto. Alle vier Türen öffnen sich gleichzeitig, und eine ganze Familie steigt aus. Ein Mann mit dickem Bauch, wahrscheinlich der Vater, kommt herein, murmelt eine Begrüßung und wartet darauf, bedient zu werden. Die Mutter bleibt draußen und versucht, die drei überdrehten Mädchen zu bändigen.
Er bedankt und verabschiedet sich und geht mit klopfendem Herzen nach Hause. Er versucht, an etwas anderes zu denken, aber es gelingt ihm nicht. Frauen mit krausem Haar und mit Blumen im Namen. Sie hat etwas Verletzliches in ihren großen Augen. Er kann sich schon nicht mehr an ihr Gesicht erinnern, weiß aber, dass er sie auch morgen noch schön finden wird. Das breite Kreuz, der Übergang von der Taille zur Hüfte, ihre aufrechte Haltung. Noch nie hat er jemanden so schön sitzen gesehen. Er ist verliebt in ihre Haltung. Aber sie ist wahrscheinlich zu gebildet, um es lange mit ihm auszuhalten. Am besten, er fängt gar nicht erst damit an. Trotzdem holt er die hundert Reais aus der Schublade und läuft zurück, aber als er beim Büro ankommt, ist es geschlossen.
Zu Zeiten der Walfangstation von São Joaquim de Garopaba wurden die Glattwale hierher geschleppt und dann am Strand zerteilt. Aus dem Fett wurde in den Öfen von Imbituba Öl gewonnen, das als Brennstoff für Lampen und als Bindemittel für Mörtel diente. Die Pfarrkirche im historischen Zentrum wurde mit Mörtel aus Walöl, Sand und zermahlenen Muscheln gebaut. Aus den Walflossen wurden Korsette fabriziert. Die Wale wurden direkt dort vor dem Felsen zerlegt, seht ihr? Und die Eingeweide, die im Wasser trieben, holten sich die Haie.
Du hast einen Walfriedhof direkt vor dem Fenster, sagt Jasmim.
Er dreht sich um, blickt auf die Bucht, die jetzt hinter ihnen liegt, und stellt sich das Wasser rot von Walblut und den Himmel voller Geier und Möwen vor. Toni, der dünne Biologe, der sie begleitet, fährt mit seinen Erläuterungen fort.
Früher wurde mit Eisenharpunen gefischt. Manchmal schleppte ein Wal die Boote stundenlang hinter sich her, bis zur Erschöpfung, und erst dann gelang es den Fischern, ihn zu fangen. Ab einem gewissen Zeitpunkt wurde Dynamit an den Harpunen befestigt, das nannte man dann Sprengharpune.
Ein Typ mit Sonnenbrille und Rio-de-Janeiro-Akzent findet das offenbar komisch.
Scheiße Mann, die haben die Wale echt in die Luft gejagt?
Also, Leute, der Wal explodierte natürlich nicht ganz, aber er hatte eine riesige Wunde.
Sie harpunierten die Jungen, um die Muttertiere anzulocken, flüstert ihm Jasmim ins Ohr. Aber das erzählt Toni nie. Familientourismus und so, du weißt schon.
Also, Leute, die Schlachtung, wie es damals hieß, fand ein bis zwei Mal im Jahr während der Walsaison statt. Die Tiere kommen im Winter auf der Suche nach wärmeren Gewässern her. Uns erscheint das Wasser vielleicht kalt, aber für die Wale, die im Polarmeer leben, ist es lauwarm. Die Muttertiere bringen hier ihre Jungen zur Welt. Die Küste ist wie ein Kreißsaal, in dem sie sie stillen und beschützen können.
Er macht eine Pause.
Einen Wal zu zerlegen konnte mehrere Tage dauern, und während dieser Zeit hing ein strenger Geruch über der ganzen Stadt.
Ein übler Gestank, meldet sich der Kapitän zu Wort, ein Herr von über sechzig, mit einem nervösen Tick im Auge und einer Art Käppi auf dem Kopf. Kaum zu ertragen.
Senhor Elias, unser Kapitän, war früher Walfänger, erklärt Toni. Er hat den letzten Wal hier in der Gegend erlegt, nicht wahr, Senhor Elias? In Imbituba, oder?
Ja, stimmt, das war dreiundsiebzig. Und auch den größten. Dreiundzwanzig
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