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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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er kaum eine Schüssel Mus eingesteckt.«
    Der Bankier lachte. »Ihr seid gut, Rungholt. Wirklich gut.« Ein paar Atemzüge lang, in denen es Wiesberg endlich schaffte, die Schüssel wieder unter die frische Wunde zu halten, musterte d’ Alighieri sein Gegenüber. Schließlich fasste er einen Entschluss: »Gut. Lasst uns beide ein Geschäft abschließen, Rungholt. Eins, das unsere müden Säfte in Wallung bringt.«
    Rungholt blieb reglos, er nickte nicht, er lächelte nicht, er ließ sich nichts anmerken. Auch nicht, als d’ Alighieri den entscheidenden Satz sagte: »Ihr sollt die Brauerei behalten, wenn Ihr mir den Dieb bringt. Lebendig. Tot nützt er mir nichts.«
    »Ich finde Euren Dieb und behalte die Brauerei. Und Ihr erlasst mir die Schulden. Alle Schulden, allen Zins.«
    D’ Alighieri lachte kurz auf, bevor er schlagartig ernst wurde. Rungholt konnte förmlich sehen, wie es in dem kahlen Schädel des Florenzers arbeitete. Schließlich zeichnete sich ein schmales Lächeln auf d’ Alighieris blauen Lippen ab. »Eure Schulden seien Euch erlassen, wenn ich ihn lebend bekomme«, bestätigte er. »Bringt ihn mir lebend, und Eure Bücher sind geschlossen … Aber wenn Ihr ihn bis nächste feria secunda nicht aufgreift …«
    »Bis nächsten Montag?«
    »Eine Woche. Eine Woche gebe ich Euch, verdammt noch eins. Mehr Zeit nicht.«
    Rungholt brummte: »Und wenn es nicht gelingt?«
    »Dann bekomme ich nicht nur Eure Brauerei, sondern auch Euer Haus und Euer Schiff. Alles soll mein sein. Das ist unser Geschäft. Alles oder nichts.«
    D’ Alighieri streckte seine Hand vor. Die Gichtfinger sahen wie verkrüppelte Zweige an einem bleichen Stamm aus. Ein letztes Mal kratzte Rungholt seinen rauen Handrücken, dann packte er mit seiner Pranke d’ Alighieris vergorene Milchhand.
    »Von Ehrenmann zu Ehrenmann«, besiegelte Rungholt das Geschäft.

5
    Schwarze Gerippe im satten Grün der Au. Die Feuer schwelten noch, denn die Flammen hatten über Nacht die fingerdicken Planken der Tonnenwagen nicht gänzlich fressen können.
    Rauchschwaden, vom Regen niedergedrückt, wogten über dem Wasser der Szwartowe und verliehen dem Land etwas Traumhaftes. Am Waldrand schimmerte der Fluss in einem tiefen Schwarz. Nicht vom Ruß, sondern vom Moor, durch das die Schwartau ihren Weg schnitt. Wie eine Schlange wand sich das vier Klafter breite Gewässer Richtung Lübeck, um nördlich der Stadt in die Trave zu münden. Durch den tagelangen Regen war der Fluss über die Ufer getreten und hatte den Fuhrweg für die Wagen in einen Schlammpfuhl verwandelt.
    Rungholt schlug Contz’ Hand fort. Der Junge wollte ihm vom Fuchs helfen, doch Rungholt fluchte bloß. Er drehte sich lieber selbst auf dem mächtigen Rücken des Kaltblüters, klammerte sich an den Hals des Tiers und rutschte umständlich in den Matsch. Beinahe hätte er dem Pferd ein Ohr abgerissen. Von Absteigen konnte keine Rede sein, was Rungholt vollführte, war eher ein Ab fallen .
    Kaum von d’ Alighieri zurückgekehrt, hatte er seinen Knecht und zwei seiner Lehrlinge gerufen und befohlen, die Pferde zu satteln. Obwohl ein nächtlicher Ritt hinaus aus der Stadt gefährlich war, hatte er nicht gezögert und war schon vor der Laudes losgeritten.
    Der Appetit auf die Morgensuppe war ihm spätestens vergangen, als sie den Pariner Berg erklommen hatten. Von hier aus konnte man gut auf Schwartau und Lübeck sehen, und im Norden die brennenden Tonnenwagen.
    Seine Wagen. Sein Konvoi.
    D’ Alighieri hatte Recht gehabt.
    Marek war mit all seinen Waren hinter Dudeschen Poryn aufgerieben worden.
    Die Überreste der Wagen ungläubig musternd, stapfte Rungholt durch den Matsch auf das zu, was einst seine Fuhrwerke gewesen waren. Im roten Licht der aufgehenden Sonne wirkte das Glühen des Schwelbrandes beunruhigend.
    Nirgendwo Entleibte, stellte er fest und atmete innerlich auf. Er strich mit seinen Lederstiefeln etwas nasse Asche beiseite und legte ein Schwert frei. Schwer zu sagen, ob es benutzt worden war. Nirgendwo waren Kampfspuren zu entdecken. War das nach einem solchen Brand überhaupt möglich?
    Vier alte Bauern und zwei Knaben, alle in derbes Sackleinen gehüllt und mager wie die Heuschrecken, hockten keine zwanzig Klafter entfernt auf den Überresten einer alten Fichte und sahen Rungholt stumm zu. Angespannt ließen sie ihre Dreschflegel gegen den Baumstamm schlagen und drehten ihre Sensen in den Händen. Rungholt glaubte nicht, dass sie etwas mit dem Brand zu tun hatten. Sie hatten

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