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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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Rungholt hin und her. »Ich … Ich lüge nicht … Ich …«
    »Wenn Ihr wollt«, wandte sich Rungholt an de Kraih, »übernehme ich das für Euch.«
    De Kraih lachte unsicher, offensichtlich konnte er nicht einschätzen, wie ernst Rungholt es meinte.
    Der zog seine nasse Gugel zurecht und baute sich noch einmal vor dem Kurier auf. »Was ist wirklich geschehen? Dieser Dieb, er hat Euch nicht gegen die Mauer geschleudert, richtig?«
    Nach einem kurzen Zögern fing der Schönling, einem Waschweib gleich, zu plappern an. »Der Mann war stark wie ein Pferd. Seine Schultern, sie waren … Sie waren breiter als Euer Bauch. So etwas habe ich noch nicht gesehen. Er maß über einen Klafter. Sein Lederwams war dreckig, es stank ganz furchtbar. Und seine Arme … Sie waren ebenfalls mit Leder umwickelt. Ich … Ich … Da waren Spinnen …«
    »Spinnen?«
    »… Ja, in seinem zotteligen Haar. Das fiel ihm auf die Schultern. So halb lockig. Ich komme mit meinem Rappen hier an, alles ist still. Ich steige vom Pferd, dieser verdammte Regen. Alles nass und glitschig. Und als ich mich umdrehe, steht diese Gestalt vor mir. Überragt mich um anderthalb Köpfe. Da hab ich, da hab ich …«
    »Ihr habt nicht mal versucht, Euch zu wehren«, warf de Kraih erbost ein.
    Der Kurier senkte den Kopf. »Nein. Ich … wusste, was er wollte.«
    »Die Edelsteine?«, stellte Rungholt fest.
    »Ja. Da habe ich sie ihm einfach überlassen.«
    Rungholt und de Kraih tauschten Blicke. Der Zorn in de Kraihs Augen war unübersehbar.
    »War er bewaffnet?«, wollte Rungholt wissen.
    »Ja! Ja doch! Er hatte einen Hammer.«
    »Einen Hammer? Etwa einen Kriegshammer?«
    Jetzt war es am Kurier, unsicher aufzulachen. »Nein. Nein, wo denkt Ihr hin? Einen schweren Hammer eben. Einen Hammer. Das habe ich auch alles dem Graveur gesagt.«
    »Wie weit ist denn dieses Bild gediehen?«, wandte sich Rungholt an de Kraih.
    »Ich werde nachsehen.« De Kraih verabschiedete sich mit einem Nicken, aber Rungholt schloss sich ihm an und folgte ihm ins Haus. Er hatte keine Lust, länger bei diesem Taugenichts im Regen zu warten.
    Während sich Rungholt am offenen Feuer aufwärmte, trat auch der Kurier ein und hielt sich mit gesenktem Blick im Hintergrund. De Kraih kam bald aus einer der unzähligen Stuben mit einem Pergament zurück. Die Zeichnung entpuppte sich jedoch als eine weitere Enttäuschung. Rungholt hielt sie zum Feuer und blickte in eine Fratze. »Das ist doch kein Gesicht. Handwerklich ist es gut gefertigt, versteht mich nicht falsch. Aber das soll der Dieb sein?«
    Etwas scheu trat der Kurier neben Rungholt.
    »Das soll er gewesen sein?« Rungholt hielt dem Mann das Bild hin.
    »Doch! So sah er aus. Das ist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.«
    Grummelnd betrachtete Rungholt erst den Schönling, dann noch einmal die Zeichnung des Graveurs. Dieser Hammermann hatte ein Gesicht wie ein Holzklotz. Nein, berichtigte sich Rungholt, wie ein Hackklotz. Narben und Falten wie Axtkerben. Sein Schädel war geradezu eckig. Flaches Kinn, großer Mund, harte Wangen. Schwarze, winzige Augen starrten Rungholt unter buschigen Augenbrauen hervor an. Eine mehrfach gebrochene Nase in einem zerhackten Antlitz.
    Das war kein Mensch, das war ein Wilder.

7
    »Reichlich weit gekommen, Euer Dieb«, knurrte Rungholt, als er mit de Kraih zum krausköpfigen Büttel aufschloss. Noch immer versuchte die Krähe Rungholt mit seinem albernen Gestell vor dem Regen zu schützen. »So ein Koloss von einem Mann rennt durch halb Lübeck, und Ihr könnt ihn nicht fassen?«
    »Der hatte ’nen Vorsprung.« Der Krauskopf blieb stehen und spuckte in eine Pfütze. Er sah Rungholt mit schiefem Grinsen an. »War ziemlich schnell, der Kerl.«
    Missmutig drückte Rungholt de Kraihs Fellschirm beiseite – »Lieber werde ich nass, als dass ich mir von Euch ein Auge ausstechen lasse!« – und trat zum Büttel. »Führ mich genau dahin, wo du ihn verloren hast.«
    Der Büttel nickte und eilte weiter. De Kraih schloss sich ihm an, aber Rungholt hielt einen Moment inne, um Luft zu holen. Er stützte sich an einen Pfosten, der zum Anbinden der Pferde diente, und sah den beiden zu, wie sie zur Trave hinabgingen. Er musste sich zu jedem Schritt zwingen, denn die Wunde in seinem Rücken schickte lähmende Schmerzen durch seinen Körper. Trotzdem war es besser, sich abzulenken, als grübelnd in der Dornse zu hocken oder ein Wehklagen mit Alheyd anzustimmen.
    »Kommt! Er soll hier reingerannt sein.« De Kraih zeigte mit

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