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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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abbekommen. »Sieht aus, als weine es Blut. Unheimlich.«
    Rungholt blickte nicht mal auf. »Wo ist die Vase?«
    Während Marek zu suchen begann, hielt sich Rungholt am Nachttisch fest. Er versuchte, noch tiefer in die Hocke zu gehen, spürte, den Bauch auf den Oberschenkeln, seine Knie schmerzen.
    »Hier.« Marek reichte ihm die Vase, wischte sich die Finger ab.
    »Schau mal nach.«
    Marek stellte sie auf die freigebliebene Fläche. »Zu klein. Da stand was anderes.«
    Mit einem Grummeln sank Rungholt noch tiefer. Kaum hatte er den Kopf auf Höhe des Tischchens, umschmeichelte ein Lächeln seine Lippen. Von hier unten konnte er sehen, dass die Blutspritzer an der Wand eine Lücke aufwiesen. Wie ein heller Schattenwurf. Das Blut war gegen etwas gespritzt, und so war ein Teil der Wand ausgespart worden.
    »Hilf mir mal suchen.«
    Ohne auf seine Schecke zu achten, griff Rungholt beherzt in das brackige Wasser und tastete den Boden ab.
    »Oh, bitte«, stöhnend schüttelte Marek den Kopf. »Seit wann bringt dich ein jämmerlicher Edelsteindieb dazu, dir die Hände derart schmutzig zu machen? Hat d’ Alighieri dir etwa die Schulden erlassen?«
    »Hör auf zu quatschen, pack lieber mit an.«
    »Natürlich. He, apropos Geld: Ich denke, mit ein paar Witten …«
    »Ich denke, wenn du Witten willst, musst du tauchen ! Punkt.«
    Marek lachte. »Wir schreiben es auf die Habenseite. So nennt ihr das doch, oder? Ich meine, wegen der Waren.«
    »Ha, glaubst du dummer Schone wirklich, du wärst imstande, die jemals zu bezahlen? Vergiss es.«
    Es dauerte eine Weile, bis sie – Marek im Entengang und Rungholt auf den Knien, das Blutwasser bis zu seinem Hintern – nicht nur das runde Sticktuch für den Nachttisch, sondern die Splitter einer wunderschön verzierten Glasschüssel geborgen hatten. Rungholt fügte die größten sechs Bruchstücke zusammen. Die Form des Glasgefäßes und seine Größe passten zu dem Blutschatten, der an der Wand zu sehen war.
    Rungholt hielt die Scherben gegen das Licht von Mareks Fackel. Für einen Tagelöhner war die Schüssel eine Kostbarkeit. Sie musste seit Generationen in seinem Besitz gewesen sein oder ein Vermögen gekostet haben.
    »Sieht aus wie venezianisches Glas. Ziemlich rein.«
    »He, ja, genau«, warf Marek ein. »So welches hab ich in Brügge gesehen. Ein paar Tage, bevor ich deinen Konvoi abgefackelt hab.«
    An Rungholt ging die Spitze nicht unbemerkt vorbei, doch er ersparte sich jede Replik. »Es war etwas Wertvolles darin.«
    »Teure Schale, teurer Inhalt?« Marek kratzte sich ein bisschen blutigen Matsch vom Handrücken und vertrieb ein paar Fliegen vor seinem Gesicht.
    Rungholt nickte. »Ich wette, es ist die Mitgift von Mornewechs Weib gewesen. Die stellt man doch nicht auf den Nachttisch. Die zeigt man doch her. Die stellt man auf den Esstisch.«
    »Ich würde es so machen.«
    »Ich auch.«
    »Was war da also drin? Ich mein, das ist doch die Frage, mein ich.«
    »Hatten sie die Schale immer auf dem Nachttisch stehen? Oder …«
    »Oder wegen Peterchen?«
    »Wegen seiner Krankheit … Oder hat er sie …« Rungholt wollte sich am Kopf kratzen, blickte auf seine verschmierten Hände und wischte sie einfach an der Wand ab. »Oder hat Peterchen die Schale vielleicht sogar von seiner Flucht mitgebracht?«
    »Wie wollen wir das wissen?«
    »Tauchen.«
    » WAS ?«
    »Tauchen.«
    »Vergiss es.«
    Rungholt lachte. »Sehen wir mal, was drin war – oder ob wir noch was anderes finden. Wir lassen das Wasser ab.«
    Marek musterte ihn fragend.
    »Wir schippen das Wasser raus und sehen, was auf dem Boden liegt.«
    » DU meinst, ICH schippe.«
    Rungholt nickte. »Du bist Kapitän, du kennst dich mit Wasserschippen aus.«
    Marek sagte erst mal nichts, rieb nur in aller Ruhe sein zugeschwollenes Auge, bevor er sagte: »Die Kleider sind eh ruiniert …«
    Rungholt drückte Marek den Deckel der einzigen Truhe vor die Brust. Einen Moment sah er seinem Kapitän zu, der Fuhre um Fuhre hinaus in den Eingangsbereich des Kellers schaufelte, dann hätte er sich vor Erschöpfung beinahe aufs Bett gesetzt. Gerade noch rechtzeitig fiel es ihm auf, und er blieb lieber stehen.
    Das Schlagen der zerbrochenen Kellertür kündigte den Sturm an. Die Sonne war sicher bereits untergegangen, als der Boden endlich durch die letzten fingerbreiten Wogen des trüben Wassers sichtbar wurde.
    Rungholt musste nicht lange suchen, um zwischen den Scherben, den heruntergerissenen Kissen und einigem Unrat etwas zu entdecken.

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