Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
Vom Netzwerk:
Fragezeichen, »Schädel?«, »Kugel?«, »Edelsteine?«, »Kinder?«
    Zwischen den laut flatternden Fellen konnte Rungholt einen Blick auf den Nachhimmel werfen. Er erschauderte.
    Da oben war nicht der Himmel. Da oben war die Hölle.
    Der Teufel ließ Wolke auf Wolke von seinen Blitzen zerfetzen, riss Stücke aus den Überresten der Wrasenhäuser und überzog die Ruinen der Wrasenstadt mit Feuer. Er hatte das sagenhafte dunkle Pulver, das Blitz und Donner machen konnte, mit tausend Fuhrwerken über den Himmel verstreut. Schwarzes Pulver, das allüberall das Wrasenland in Stücke riss. Drei weitere Blitze zerfetzten Türme und Mauern der Wrasen und streckten ihre heißen, zuckenden Finger nach Lübeck aus.
    »Pack es! Zieh es zu dir«, rief Marek und klammerte sich an einen Fellzipfel. Endlich riss sich Rungholt von dem Anblick los und half. Sie brauchten ihre ganze Kraft, um die Häute wieder vor das Loch zu spannen und festzunageln.
    Der Hammermann war fortgerissen worden. Rungholt hob ihn auf. Dieser grimmig starrende Kerl mit dem eckigen Kinn und den zu kleinen Augen. Ein Schädel wie ein Baumstumpf. Rungholt nagelte ihn durch die Stirn zurück an den Sparren und spannte zwei weitere Fäden vom Schädel- und Kugelzettel zu ihm. Und von d’ Alighieri zog er ebenfalls, an den letzten Gewürzfässern vorbei, eine Linie zum Hammermann.
    Die beiden wichen ein paar Schritte zurück, stellten sich ans Bierfass. Ihre Blicke glitten über das komplizierte Netz und die im Windzug zitternden Blätter.
    Ein Muster konnte Rungholt nicht erkennen. Sein Blick fiel auf die Stiefel, die er an einen Balken genagelt hatte. »Glasmacher. Hm. Butzenmann …«, murmelte er. Es gab ein Kinderlied, er hatte es Mirke oft vorgesungen: Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann um unser Haus herum. Er rüttelt sich, er schüttelt sich. Er wirft sein Senschen hinter sich … Ein schauderhaftes Lied, von einem dämonischen Geist, der das Haus zum Poltern brachte und seine Knochen schüttelte …
    Er gähnte. »Das kommt doch alles nicht hin. Erst mal ein Bier. Haben wir uns verdient, oder?«
    Mit einem geübten Schlag stach Rungholt das Fass an und zapfte ihnen beiden eine Henkelkanne voll. Nach einem ersten Schluck ließen sie die Notizen noch einmal auf sich wirken, schwiegen und hörten dem tosenden Sturm zu.
    Schließlich nahm Rungholt den Schädel zur Hand. »Ich dachte, ich kläre was, aber es wird immer verzwickter.« Er hob die Goldkugel vom Fass und ließ sie in den Schädel fallen. Wie er richtig vermutet hatte, passte die Goldkugel gut in die Mulden. Als er den Schädel im Licht der Lampe hin und her drehte, rollte sie von einer Mulde zur anderen.
    »Hübsch.« Mareks Auge tränte, er wischte es mit einem der Zettel aus. »Sieht hübsch aus. Fast wie ein Kinderspiel.«
    Rungholt knurrte. »Die gleichen Runen, und sie passt perfekt. Sie gehören zusammen. Dabei bleib ich. Es sind zwölf Mulden. Gibt es noch elf Kugeln da draußen?« Er nickte hinab zu der sturmgegeißelten Stadt.
    »Zwölf Mulden, zwölf Kugeln …« Marek kratzte sich grübelnd den Arm, der durch die Jahre auf Deck und von dem ewigen Taue-Aufwickeln vernarbt war. »Du hast einen Zettel vergessen«, meinte er. » Acht Kinder … Vielleicht sollen es mal zwölf werden. Oder es sind zwölf, und wir wissen es nicht.«
    »Du meinst, jedes Kind hat eine solche Kugel?«
    Marek zuckte mit den Schultern, reichte Rungholt das Tintenfässchen und kratzte weiter.
    Mit dickem Strich fügte Rungholt ein Fragezeichen hinter die Acht auf seinem neuen Zettel.
    »Und eine Verbindung zu Peterchen.«
    »Montagnacht wird d’ Alighieri ausgeraubt, und Dienstag stirbt Peterchen.« Rungholts Blicke folgten den Verbindungen, die vom Hammermann ausgingen. Er war mit allen Zetteln verbunden. Außer mit den entführten Kindern.
    Grübelnd trat Marek zurück und kratzte abermals seine Arme. »Und in der Nacht davor diese Agathe.«
    »Agnes.« Rungholt nahm einen großen Schluck. »Ja. Davor diese Agnes. Sonntagnacht. Aber Meenkens’ Magd ist was ganz anderes. Sie ist eines natürlichen Todes gestorben, und der Entführer sucht sich nur Jungen.« Er hielt inne und starrte Marek an.
    »Was ist?«
    »Mach das noch mal.«
    »Was?«
    »Dich kratzen.«
    Marek brauchte einen Moment, bis er verstand, dann kratzte er noch einmal seinen rechten Arm. »Gut so?«
    »Wunderbar. Wir müssen uns schon wieder umziehen.« Ehe der es sich versah, hatte Rungholt Mareks Kopf gepackt und ihm einen innigen Schmatz auf die

Weitere Kostenlose Bücher