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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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woanders verborgen. Einen Lidschlag lang überlegte er nachzusehen, durch das knöcheltiefe Wasser zu rennen und sich Gewissheit zu verschaffen – der Gedanke an die Grube hielt ihn jedoch zurück.
    Der Eindruck, einen Blick auf sich zu spüren, war verflogen. Rungholt wartete dennoch einen Moment, bevor er seine Gnippe zog und die Bespannung des Fensters zerschnitt. Erst ein Stück, um hindurchzuspähen, dann gänzlich.
    Stöhnend stemmte er sich zum Fenster hoch, kam nicht seitlich hindurch, sondern musste sich, den Kopf voran, über den Rahmen hieven und wie ein übergroßer Wurm in den Raum fallen lassen.
    Fluchend lag er einen Moment in der Nässe. Auch von innen war die Schmiede überflutet. Er rappelte sich auf und sah sich im dämsigen Licht um. Dort, wo einst der Blasebalg stand, klaffte eine Lücke. Die Befestigungen an den Holzbalken waren noch vorhanden, aber der Rest fehlte. Genau wie beim Amboss. Der Baumstumpf, auf welchen der Schmied ihn einst geschraubt hatte, ragte kahl aus dem Wasser. Auch die Haken für die verschiedenen Hämmer und die zahlreichen Zangen, die Abschröter und Punzen waren noch da, doch die Werkzeuge selbst fehlten. Für Rungholt sah das nicht nach Einbruch aus – vielmehr hatte er den Eindruck, als habe Gryps selbst die Werkstatt abgebaut.
    Auf alles gefasst, drehte er sich im knöchelhohen Wasser, sah zur einstigen Werkbank hin und zur Esse, in der die Eisen zum Glühen gebracht worden waren, und versuchte abzuschätzen, wie lange das alles schon im Dornröschenschlaf lag. Das Wasser hatte die Asche fortgespült – keine Spur von einem Stück Metall oder letzten Arbeiten.
    Auf den Balken über ihm huschten fiepend Mäuse. Spinnen hatten ihre Netze in die Holzkonstruktion des Raums gewoben. In vielen hingen vertrocknete Fliegen. Selbst an der Eingangstür konnte er ein Spinnennetz erkennen. Sie war seit Tagen, wahrscheinlich seit Wochen, nicht geöffnet worden.
    Eine simple Holzleiter, aus einfachen Brettern gezimmert, führte in den zweiten Stock, der lediglich ein Hochboden war. Um sich festzuhalten, musste er die Gnippe wegstecken. Er tat es widerwillig, nahm dann sehr behutsam Sprosse um Sprosse. Sein Blick glitt über die Kante auf den Boden. Es war dunkel dort oben. Ein paar der Mäuse flüchteten unter einen Bretterstapel. Reste von Eisen, zwei alte Schilde. Nichts von Bedeutung und kein Versteck.
    »Gryps?«
    Keine Antwort. Das Trommeln des Regens schluckte Rungholts Stimme. Beim Abstieg spürte er seine Rückenwunde. Wahrscheinlich wäre es das Richtige gewesen, sich hinzulegen und ein paar Tage in Alheyds Armen zu verschnaufen.
    Und ein Krankensüppchen zu essen – oder Hirsebrei mit Erbsen, dachte Rungholt und musste lächeln. Er ließ sich ins Wasser hinab und wollte noch einmal den Raum absuchen, als … Ein Schrei.
    »Hiiiiii! Ich – Hiiiil …« Ein Mann versuchte, um Hilfe zu rufen. Markerschütternd gellte seine Stimme durch das Regengeprassel und stellte Rungholts Nackenhaare auf. Sofort musste er an die Sickergrube denken.
    Er stürzte zur Tür, erst als er sie aufzuziehen versuchte, fiel ihm die Kette ein. Verdammt.
    Die Schreie wollten nicht enden, wurden aber heiserer, immer wieder erstickt von Gurgeln und Husten.
    Rungholt rannte zum Fenster und hievte sich hindurch, wie er hereingekommen war.
    Er landete draußen hart auf der Schulter, halb mit dem Kopf im Wasser. Kaum war er auf die Knie gekommen, sah er bereits den Mann.
    Wild um sich schlagend, die Hände vergeblich nach Halt suchend, steckte er bis zum Kinn in der Grube. An Schreien war nicht mehr zu denken, er schnappte panisch nach Luft, die Augen in Angst geweitet. Seine Glatze, Arme, Hände, Wangen waren mit Schlamm beschmiert, während er sich nach rechts und links warf und den Sog nur noch verstärkte.
    Gryps?, schoss es Rungholt durch den Kopf. Der Schmied, war er das?
    »Nicht bewegen!«, schrie Rungholt und taumelte bei dem Versuch, endlich hochzukommen. Er fiel seitlich gegen die Mauer, schob sich daran mit der Schulter bis zum Fenster empor und kam endlich auf die Beine. »Bewegt Euch nicht.«
    Der Fremde hörte nicht, zappelte und ruderte mit den Armen, die Augen grotesk aufgerissen und leuchtend weiß im schlammenen Gesicht.
    Endlich war Rungholt bei ihm, traute sich aber nicht heran, um ihn zu packen. Wie groß diese Sickergrube war? Im aufgewühlten Wasser konnte er nichts erkennen. Geistesgegenwärtig hängte sich Rungholt an die Kirsche, brach einen Ast ab und hielt ihn dem Mann

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